Ukraine-Konflikt:Warum Waffen nicht die mächtigste Waffe sind

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Ukrainische Soldaten patroullieren in der Region Donezk.

(Foto: AFP)

Die Ukraine ist Russland und den Separatisten im Donbass hoffnungslos unterlegen. Doch Wladimir Putin würde sich von Waffenlieferungen des Westens kaum beeindrucken lassen - womöglich aber von einer Erhöhung des wirtschaftlichen Drucks.

Kommentar von Daniel Brössler

Die Sicherheitskonferenz war ein Gipfel der Widersprüche. Wegen der offenkundigen Ost-West-Konfrontation, der kaum zu kaschierenden transatlantischen Brüche, vor allem aber auch wegen der inneren Widersprüche, in die sich praktisch alle Akteure im Ukraine-Konflikt verstrickt haben. Besonders deutlich zeigt das der Streit über Waffenlieferungen. In ihm muss das Entsetzliche gegen das Unerträgliche abgewogen werden.

Kanzlerin Angela Merkel glaubt nicht daran, dass eine bessere ukrainische Bewaffnung Wladimir Putin stoppen kann und hat das Präsident Petro Poroschenko in München vor Publikum ins Gesicht gesagt. Merkel selbst hat dieses Argument als hart bezeichnet, aber in Wahrheit ist es eher weich. Würde denn Deutschland, wäre es aus Berliner Sicht erfolgsversprechend, die Ukraine zum Schutz gegen Russland bewaffnen? Und welchen Sinn ergibt - folgt man Merkels Argument - Verteidigung gegen einen übermächtigen Gegner überhaupt?

Die Befürworter von Waffenlieferungen machen geltend, der Preis für den Kremlchef müsse durch eine bessere ukrainische Verteidigungsfähigkeit erhöht werden. Allerdings gibt es wenig Anzeichen dafür, dass Putin nicht bereit wäre, immer noch mehr Waffen zu schicken und Soldaten zu opfern. Hier zieht Merkels Argument, dass die stärkste Waffe des Westens eben gerade nicht Waffen sind, sondern wirtschaftlicher Druck. Berechtigt ist die Sorge, der Waffenstreit könnte die fragile westliche Einheit in der Sanktionsfrage gefährden.

Putins postsowjetische Einflusszone

Merkel hat die Situation mit jener im Kalten Krieg verglichen. Die Kanzlerin ist sich im Klaren darüber, dass es um Putins großen Plan geht, um seine postsowjetische Einflusszone. Bis diese konsolidiert ist, wird jedes Abkommen, jeder Waffenstillstand nur temporär sein. Das macht eine dauerhafte politische Lösung, die für Moskau und Kiew akzeptabel wäre, so unwahrscheinlich. Den Versuch, der an diesem Mittwoch in Minsk wieder unternommen werden soll, ist es dennoch wert. Und womöglich hat die Aussicht, die USA könnten defensive Waffen schicken, die Verhandlungsbereitschaft ja doch erhöht. Was im Umkehrschluss hieße: Wer Waffenlieferungen kategorisch ausschließt, stärkt die Diplomatie nicht.

Wer Waffenlieferungen befürwortet, kann allerdings nicht so tun, als gehe es nur um den Donbass. Er muss der entsetzlichen Gefahr einer Eskalation weit über diesen Landstrich hinaus ins Auge sehen. Aber auch die Nicht-Lieferung hat Folgen. Die Ukraine bliebe der Gewaltbereitschaft Russlands ausgeliefert, ihr Recht auf Selbstverteidigung Theorie. Die Ukrainer, die den Lockrufen westlicher Werte gefolgt sind, müssten erkennen, dass ihre Freiheit und Souveränität einen begrenzten Wert darstellen - auch das ein unerträglicher Gedanke.

Was bleibt, ist der wirtschaftliche Druck. Wer gegen Waffenlieferungen argumentiert und die Ukraine nicht im Stich lassen will, muss zumindest bereit sein, ihn drastisch zu erhöhen.

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