Ukraine:Kiew will Kinder aus dem Krisengebiet holen

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  • Bei Gefechten in der Ostukraine sind nach Angaben der ukrainischen Armee wieder Soldaten und Zivilisten getötet worden.
  • Regierungstreue Behörden in den Regionen Donezk und Lugansk wollen Kinder aus dem Kriegsgebiet wegbringen.
  • Russland gibt der Ukraine die Schuld an der erneuten Eskalation mit vielen getöteten Zivilisten und warnt vor weiteren Sanktionen des Westens.
  • Die EU stockt ihre Ukraine-Hilfe um 15 Millionen Euro auf. Am Dienstag sollen von Leipzig aus Flugzeuge mit Hilfsgütern in die Ukraine aufbrechen.

Wieder Tote bei Gefechten

Bei Gefechten im Osten der Ukraine sind nach offiziellen Angaben binnen 24 Stunden mindestens neun weitere Menschen getötet worden. Unter den Opfern seien sieben Soldaten, weitere 24 Soldaten seien verletzt worden, teilte die ukrainische Armee am Montag mit. Aus der Separatistenhochburg Lugansk wurden zudem zwei getötete Zivilisten gemeldet. Die prorussischen Separatisten eröffneten den Angaben zufolge 115 Mal das Feuer auf die Armee. Regierungstreue Behörden in den Regionen Lugansk und Donezk kündigten an, Kinder aus dem Konfliktgebiet in Sicherheit bringen zu wollen.

Russland warnt vor weiteren Sanktionen

Russlands Außenminister Sergej Lawrow hat die ukrainische Regierung für das Wiederaufflammen der Kämpfe und die jüngsten Todesopfer unter Zivilisten verantwortlich gemacht. "Wir sehen, wie versucht wird, den Friedensprozess zu behindern, und wie die Kiewer Führung immer wieder versucht, das Problem mit Gewalt zu lösen und den Südosten zu unterdrücken", sagte Lawrow am Montag vor Journalisten in Moskau. Die Militäraktionen der Separatisten seien Reaktionen auf die Angriffe der Regierungstruppen.

Der Minister appellierte zugleich an den Westen, die ukrainische Führung nicht noch in ihrem Vorgehen zu unterstützen, indem neue Sanktionen gegen Russland verhängt würden. Die Ukraine dürfe nicht den Eindruck gewinnen, dass sie für alles, was sie mache, automatisch die Unterstützung des Westens gegen Russland auslösen könne. Der Westen missbrauche den Tod von Zivilisten in der Ukraine, um eine "antirussische Hysterie" zu schüren und neue Sanktionen gegen Moskau auf den Weg zu bringen, sagte er der russischen Nachrichtenagentur Tass zufolge.

"Eine solche Erpressung wird uns niemals dazu bringen, unsere konsequente Haltung zu ändern", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Montag in Sankt Petersburg. Der Schlüssel zur Lösung der Krise liege allein in Kiew - die ukrainische Regierung müsse in einen direkten Dialog mit den Aufständischen treten, forderte Peskow.

Kanzlerin Merkel sieht Russland in der Pflicht

Bundeskanzlerin Angela Merkel hingegen ap­pel­lie­rte an Russland, auf die Rebellen Einfluss zu nehmen. Sie habe am Sonntag Präsident Wladimir Putin in einem Telefongespräch aufgefordert, neue Eskalationen zu verhindern, teilte ein Regierungssprecher mit.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) schließt neue Sanktionen gegen Russland nicht mehr aus. Bei einem Treffen mit seinem lettischen Kollegen Edgars Rinkevics in Berlin warnte Steinmeier die prorussischen Separatisten vor einem Angriff auf die ukrainische Hafenstadt Mariupol. "Ein Angriff oder gar eine Offensive breit angelegt in Richtung Mariupol und darüber hinaus, das wäre eine qualitative Veränderung der Situation, die uns reagieren lassen muss."

Getötete Zivilisten in Mariupol und nahe Donezk

Die Separatisten hatten am Samstag eine Offensive zur Eroberung der strategisch wichtigen Hafenstadt Mariupol im Südosten der Ukraine gestartet. Bei einem Raketenangriff auf ein Wohngebiet Mariupols waren zuvor mindestens 30 Menschen getötet und fast hundert weitere verletzt worden. Die Rebellen bestritten eine Verantwortung für den Angriff. Laut der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) wurden die Raketen jedoch aus Rebellengebiet abgefeuert. Auch die USA machten die Separatisten für den Angriff verantwortlich.

Tage zuvor waren bei einem Raketeneinschlag in einen Bus auf einer Straße zwischen Donezk und Mariupol mindestens zehn Zivilisten getötet und weitere verletzt worden. Nach Einschätzung der örtlichen Polizei hatten prorussische Separatisten das Geschoss abgefeuert, dabei aber versehentlich den Bus getroffen. Eigentliches Ziel war demnach ein Kontrollpunkt der ukrainischen Armee auf der Hauptverbindungsstraße zwischen der Rebellenhochburg Donezk und dem Asowschen Meer, etwa 35 Kilometer südwestlich von Donezk. Die Separatisten wiesen diese Darstellung zurück.

EU gibt weitere Millionen für humanitäre Hilfe

Die Europäische Union stockt ihre humanitäre Hilfe für die Ukraine um 15 Millionen Euro auf. Dies solle helfen, die Grundbedürfnisse der Menschen in Mariupol und anderen umkämpften Gebieten zu befriedigen, teilte die EU-Kommission in Brüssel mit. Die Hilfe umfasse Zelte, Lebensmittel, Wasser, medizinische Produkte und Kleidung. Insgesamt hätten die EU und die EU-Staaten nun bereits 95 Millionen Euro Hilfe bereitgestellt. "Die Not ist nun akuter als je zuvor", sagte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Die EU helfe den Menschen in der Ukraine, "damit sie durch die jüngste Welle an Feindseligkeiten und die kältesten Monate des Jahres kommen."

Drei Flugzeuge mit Hilfsgütern sollen am Dienstag von Leipzig aus nach Dnipropetrowsk südöstlich von Kiew starten, sagte die EU-Kommission. Zudem sollten bereits am Montag Lastwagen in der Ostukraine ankommen, teilte die Behörde weiter mit. Auf dem Luft- und dem Landweg würden insgesamt 85 Tonnen Hilfsgüter transportiert. Die Hilfslieferungen werden von der Kommission und mehreren EU-Mitgliedstaaten gemeinsam organisiert, darunter Deutschland, Österreich und Frankreich.

© Süddeutsche.de/dpa/Reuters/AFP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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