Ukraine:In weiter Ferne

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US-Diplomat fordert neue Anstrengungen für Wahlen in der Ostukraine. Poroschenko verlangt dafür eine bewaffnete Polizeimission der OSZE.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Er werde das Wahlergebnis am 8. November im Falle einer Niederlage womöglich nicht anerkennen. Denn das könne nur bedeuten, die Wahlen seien gefälscht. Mit dieser Drohung hat Donald Trump nicht nur Millionen US-Amerikaner geschockt, die stolz sind auf ihre Demokratie. Präsidentschaftskandidat Trump hat damit auch unterstellt, was seither als Frage in der Welt ist: gefälschte Wahlen in den USA - wie wahrscheinlich ist das?

Die Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, (ODIHR), quasi eine Tochter der OSZE, beobachten nun zum siebten Mal eine Präsidentschaftswahl in den USA; sie sind mit einer Lang- und einer Kurzzeitmission unterwegs, beurteilen Medien und Wahlfinanzierung, Ablauf und Auszählung, Technik und Kontrolle.

Der vorläufige Bericht von ODIHR zur US-Abstimmung schätzt die Möglichkeiten maßgeblicher Fälschungen als gering ein. Auch wenn im Vorfeld Kritikpunkte aufgelistet werden, die schon bei vergangenen US-Wahlen Minuspunkte brachten: die Aberkennung des Wahlrechts von bis zu sechs Millionen Häftlingen und Ex-Häftlingen, der Einfluss des "großen Geldes", die mögliche Beeinflussung von Wählern durch Ergebnisse in anderen Zeitzonen, lange Wartezeiten vor den Wahllokalen. Aber: Die Behörden seien lernwillig, die Wähler aufmerksam, und Fälschungsvorwürfe, nun ja, "überraschend".

Gleiches sagt, etwas weniger diplomatisch, auch der US-Botschafter bei der OSZE in Wien, Daniel Baer: "Die US-Wahlen entsprechen im weltweiten Vergleich dem Goldstandard, weil das System ziemlich immun gegen Fälschungen ist. Die Wahlen werden nicht zentral gelenkt, sondern dezentral in den Bundesstaaten organisiert und im Viel-Augen-Prinzip stark überwacht." Zudem würden die OSZE-Wahlbeobachter auf Einladung der USA an Hunderten Orten präsent sein. Bisher habe es zwar immer Verbesserungsvorschläge gegeben, aber: "Es gab nie einen Zweifel daran, dass die Wahlen frei und fair sind."

Die Leiterin der Kurzzeit-Mission bei der US-Wahl und Präsidentin der Parlamentarischen Versammlung der OSZE, die Österreicherin Christine Muttonen, hatte mit Blick auf Trump kritisiert, unbegründete Vorwürfe könnten einen "gefährlichen Effekt haben und eine Atmosphäre von Misstrauen und Spannung erzeugen". Baer widerspricht: Es gebe keine Hinweise darauf, dass solche Einlassungen massive Irritationen auslösten: Die Mobilisierung für beide Kandidaten sei enorm, großes Misstrauen oder gar wachsende Demokratieverachtung könne er nicht erkennen. Die US-Wahlen seien "bunt und gut organisiert".

Der OSZE-Botschafter der USA äußerte sich im SZ-Gespräch nicht nur über die US-Wahl, sondern auch über die nun schon fast zwei Jahre währenden Versuche, Wahlen in Separatistengebieten in der Ostukraine im Rahmen des Minsk-Prozesses umzusetzen. Das Abkommen sieht einen Waffenstillstand und den Rückzug schwerer Waffen von der Front vor, mehr Autonomie für die Region und Lokalwahlen nach internationalen Standards.

Doch die Kämpfe gehen weiter und Wahlen sind ein unrealistisches Szenario. Kiews Präsident Petro Poroschenko hat deshalb noch einmal eine bewaffnete Polizeimission der OSZE avisiert. Baer sagt dazu, Poroschenko habe recht, wenn er darauf hinweise, dass man weitere Mittel brauche, um die Lage zu befrieden - eines davon könne eine solche Mission sein.

Derzeit würden die Mitglieder der Speziellen Beobachtungsmission weit häufiger von den Separatisten behindert als von der ukrainischen Armee, daher sei auch eine bessere Ausrüstung und der Einsatz zusätzlicher technischer Mittel wie etwa Boden-Kameras dringend nötig. Der viel kritisierte Minsk-Prozess sei nicht gescheitert, so der amerikanische OSZE-Botschafter. Es gebe schlicht kein anderes Format, um die Krise zu lösen. Zwar wartete man darauf, von russischer Seite nicht nur Worte, sondern auch Taten zu sehen, aber vorerst gelte: "Wir brauchen einen pragmatischen Zugang, einen Waffenstillstand, eine militärische Entzerrung der Gegner." Dass es keine Lösung geben soll, nannte er "inakzeptabel"

© SZ vom 31.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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