Ukraine:Im Kulturkampf

Kiew greift zu ähnlichen Methoden wie Moskau und boykottiert Künstler. Beide Seiten müssen abrüsten.

Von Sonja Zekri

Sie schenken sich nicht viel, jedenfalls nicht, wenn es um die Kultur geht. Russland hetzt gegen Popsänger, die Verständnis für die Ukraine zeigen. Die Ukraine schmäht russische Stars, die Putin bejubeln. Es gab eine Zeit, da begriffen sich Russen und Ukrainer zwar nicht als ein Kulturraum, aber als kulturell sehr enge Nachbarn. Vorbei.

Nun hat die Ukraine 38 Schriftsteller aus Russland - darunter nationalistische, ukrainekritische - auf eine schwarze Liste gesetzt. Russland wiederum ergötzt sich an diesem, so sieht Moskau das, neuen Beweis für den russophoben, menschenverachtenden, kurz: faschistischen Charakter der Regierung in Kiew.

Was soll's, könnten man sagen, ein Popkonzert oder Buch weniger ist verschmerzbar. Zweierlei aber ist bemerkenswert. Kiew nähert sich, erstens, auf ziemlich bedrückende Weise, tatsächlich Moskauer Methoden an: Nationalismus, Paranoia, Zensur, das sind Etappen einer Verhärtung, wie sie sich ein Land, das sich als Alternative zur russischen Autokratie präsentiert, eigentlich nicht erlauben kann. Zweitens lässt sich am Kulturkampf zwischen Kreml und Maidan beobachten, wie naiv es ist, Kultur generell als Friedensstifterin zu betrachten. Mal lässt sie sich benutzen, mal betreibt sie Propaganda, mal wird sie selbst zum Opfer. So werden eines Tages, wenn der Krieg vorbei ist, auch die Kulturschaffenden beider Länder abrüsten müssen.

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