Ukraine:Good bye, Lenin

Die Ukraine verbietet kommunistische und faschistische Symbole, die letzten Lenin-Statuen sollen fallen. Das Gesetz ist jedoch mehr als Symbolpolitik - es zielt auf politische Gegner.

Von Cathrin Kahlweit

Bis zuletzt glaubten selbst glühende Fans von Petro Poroschenko, er werde das Gesetzespaket nicht unterschreiben. Mehr als vier Wochen lang hatte die Vorlage, mit der jegliche Propaganda für Kommunismus und Nationalsozialismus unter Strafe gestellt wird, seit der Verabschiedung durch das Parlament im Kiewer Präsidialamt Staub angesetzt. Das ist für die Ukraine, die unter starkem Reformdruck steht, eine lange Zeit.

Daher machte sich Hoffnung breit, Poroschenko werde ein Einsehen haben und das Gesetz zurückschicken an die Rada, das Parlament. Schließlich hatte es offene Briefe von Intellektuellen, Unterschriftenlisten von Wissenschaftlern, Kritik in den Medien, Zweifel von Juristen gegeben. Gegen eine Wiedereinführung der Zensur durch die Hintertür war protestiert worden, und gegen das Ausblenden der eigenen Geschichte. Vergeblich. Am Wochenende unterschrieb der Staatschef.

Von nun an sind in der Ukraine sowjetische und kommunistische Symbole verboten, die Archive der sowjetischen Geheimdienste werden geöffnet. Außerdem werden die Verdienste jener Nationalisten gewürdigt, die - teils an der Seite der Nazis - für die Unabhängigkeit der Ukraine gekämpft haben. Unter Strafe gestellt werden aber nicht nur kommunistische, sondern auch nationalsozialistische Symbole und Propaganda.

Auch andere osteuropäische Staaten hatten, während sie sich von Moskau ab- und Europa zuwendeten, vergleichbare Gesetze verabschiedet, mit denen die Besatzungsregime der Nazis und Sowjets verurteilt werden. Aber das Kiewer Gesetz ist eher vage formuliert; "Missachtung" oder "Entweihung" sind juristisch schwer einzugrenzen. Doch das Land befindet sich im Krieg, und so gleicht der Schritt zum jetzigen Zeitpunkt einer Botschaft, die sich nicht nur nach innen, sondern auch gegen Moskaus aktuellen Einfluss und heutige Propaganda richtet.

Man will zum einen beweisen, dass in Kiew kein "faschistisches Regime" an der Macht ist - absurde Vorwürfe, wie sie der Kreml immer wieder in die Welt gefunkt hat. Und dass die Zeit, in der die Kommunisten die Geschicke bestimmten, auch äußerlich vorbei ist. Die neuen Verbote gelten daher für Symbole, Straßennamen, Flaggen, Denkmäler und Gedenktafeln, für Hymnen und Firmennamen. Ein Bildersturm steht also bevor. Fallen sollen auch die letzten 1700 Lenin-Statuen, die noch in der Ukraine stehen; etwa 500 sind bereits gestürzt worden.

Das Verbot kommunistischer Symbole zielt aber auch auf die politischen Gegner in Kiew, die - einst als Partei der Regionen, heute im Oppositionsblock - mit Moskau kooperieren. Und es zielt auf den Osten des Landes, der immer stärker sowjetisch geprägt war als der katholische, von Habsburgern und polnischen Herrschern geformte Westen. Selbst Maidan-Anhänger kritisieren die neuen Gesetze daher. Denn das Land ringt um seine Einheit, und zu dieser Nation gehören formal - immer noch - auch jene Bürger, die in den von Russland unterstützten Separatistengebieten leben. Halya Coynash, Menschenrechtsaktivistin in Charkiw, klagt öffentlich: Kiew unterdrücke die Meinungsfreiheit und kriminalisiere das "Äußern von Meinungen, die viele Ukrainer teilen".

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