UK Independence Party:Der Mann, der Ukip aus der Sinnkrise führen soll

United Kingdom Independence Party interim leader Nigel Farage embraces newly elected leader Paul Nuttall, in London

Der neue und der alte Chef: Paul Nuttall (links) umarmt seinen Vorgänger Nigel Farage.

(Foto: REUTERS)
  • Paul Nuttall, seit 2009 Abgeordneter des Europaparlaments für Nordwestengland, setzte sich mit 62 Prozent der Stimmen seiner Partei gegen zwei Gegenkandidaten durch.
  • Kurz nach dem Brexit-Votum Anfang Juli war Nigel Farage, Ukip-Mitbegründer und Dauervorsitzender, zurückgetreten.
  • "Abgesehen vom Brexit ist das nächste große Ding in der britischen Politik das Englisch-Sein", prophezeite Nuttall vor seiner Wahl in einem Interview.

Von Paul Munzinger

Die britische Ukip befindet sich seit dem Brexit-Referendum in der Dauerkrise. Das ist in gewisser Hinsicht paradox. Mit dem Votum der Briten für den Austritt ihres Landes aus der EU hat sich für die Partei, die sich den Kampf um die Unabhängigkeit Großbritanniens in den Namen geschrieben hat, das wichtigste politische Ziel erfüllt. Zugleich hat der bevorstehende Brexit die Partei ihrer Daseinsberechtigung beraubt und sie mit der Frage zurückgelassen, wofür sie künftig eigentlich stehen soll. Eine Antwort hat die Ukip bis heute nicht geliefert.

Nun hat sie, nach einer in vielerlei Hinsicht schmerzhaften Kandidatensuche, immerhin einen neuen Vorsitzenden gekürt: Paul Nuttall, seit 2009 Abgeordneter des Europaparlaments für Nordwestengland, setzte sich mit 62 Prozent der Stimmen seiner Partei durch. Seine beiden Gegenkandidaten waren die ehemalige stellvertretende Parteichefin Suzanne Evans und der Ex-Soldat John Rees-Evans. Mit Nuttalls Wahl verbindet sich die Hoffnung, dass es der Partei gelingt, den Reset-Knopf zu drücken, wie es Douglas Carswell ausdrückte, der einzige Ukip-Abgeordnete im britischen Unterhaus.

Anfang Juli war Nigel Farage, Ukip-Mitbegründer und Dauervorsitzender, zurückgetreten. Mit dem Brexit habe er sein politisches Ziel erreicht, erklärte Farage, nun wolle er sein Leben zurück. Mitte September wurde Diane James zu seiner Nachfolgerin gekürt, sie hielt sich ganze 18 Tage an der Spitze der Partei. Damit ergab sich eine neue Chance für den Europaabgeordneten Steven Woolfe, der nicht gegen James hatte antreten können, weil er seine Bewerbung 17 Minuten zu spät eingereicht hatte. Doch Woolfe verließ die Ukip nach einer Schlägerei mit einem Parteikollegen im Europäischen Parlament. Den Vorsitz übernahm vorübergehend einmal mehr: Nigel Farage.

Nun soll also Nuttall, der bisher vor allem mit der Forderung aufgefallen war, für Kindsmörder die Todesstrafe wiedereinzuführen, der Partei einen Weg in die Zukunft weisen. Doch der Korridor rechts von den Konservativen ist eng geworden. Unter Premierministerin Theresa May sind die Tories nicht nur zur Brexit-Partei geworden, sie haben der Ukip auch andere Themen wie die Wiedereinführung der Grammar Schools (staatliche Eliteschulen) weggenommen. Nuttall will deshalb an zwei Nahtstellen des politischen Spektrums neue Wähler mobilisieren: einerseits unter den Konservativen, denen der Brexit nicht konsequent genug umgesetzt wird. Und andererseits unter den Stammwählern der ebenfalls strauchelnden Labour-Partei.

"Wir haben die fantastische Gelegenheit, die wir nie zuvor in diesem Ausmaß hatten, in der Arbeiterklasse Fuß zu fassen", sagte Nuttall kürzlich in einem Interview mit dem Daily Telegraph. Als Türöffner soll ihm der englische Patriotismus dienen. "Abgesehen vom Brexit ist das nächste große Ding in der britischen Politik das Englisch-Sein", prophezeite Nuttall. Als Vorbild schwebt ihm der Aufstieg der Scottish National Party (SNP) vor, die Labour in Schottland in den vergangenen Jahren bereits erfolgreich abgelöst habe. In seiner Dankesrede sagte er nun: "Ich will die Labour-Partei ersetzen und Ukip zur patriotischen Partei des Vereingten Königreichs machen."

Ein kleines Abschiedsgeschenk möchte Nuttall übrigens seinem Vorgänger Nigel Farage hinterlassen. Zuletzt sprach er sich dafür aus, führende Ukip-Politiker für ihre Verdienste um das Vereinigte Königreich in den Adelsstand zu erheben.

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