Uganda I:Das Risiko der Mütter

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Die hohe Sterblichkeit von Kindern und Müttern ist ein Menschheitsproblem. In Uganda weiß eine Frauenärztin, warum noch so hehre Pläne nicht greifen, so lange die Verwaltung und der Staat nicht funktionieren.

Von Arne Perras

Eve Nakabembe ist eine ugandische Frauenärztin, sie hätte fortgehen können, um in der reichen Welt zu arbeiten. Aber sie wollte in ihrer Heimat bleiben, wo sie doch viel mehr gebraucht wird.

Ugandas Frauen haben es schwer, wenn sie Kinder bekommen. Viele überleben es schlicht nicht. Die Müttersterblichkeit ist global betrachtet in den vergangenen 25 Jahren zwar deutlich gesunken. Und auch im Osten Afrikas lässt sich dieser Trend beobachten. Dennoch sind die Risiken hier noch immer um ein Vielfaches höher als in entwickelten Staaten. In Uganda stirbt eine von 47 Frauen während der Schwangerschaft oder bei der Geburt. Das Risiko in Deutschland hingegen beträgt 1 zu 11 700.

Die Medizinerin Nakabembe kennt die Frustrationen vieler Kollegen in den Kliniken ihres Landes genau, sie hat es einmal so formuliert: "Du weißt genau, was du tun musst. Aber du kannst es oft nicht tun, weil dir die Mittel fehlen. Das macht dich als Arzt verrückt."

Die Gesundheitssysteme afrikanischer Länder sind den Aufgaben nicht gewachsen, sie kranken an Missmanagement, an mangelhafter Ausstattung, schlecht bezahltem und häufig auch überfordertem Personal. Welcher qualifizierte Arzt ist bereit, sich für 500 Dollar im Monat Tag und Nacht im Krankenhaus aufzureiben? "Das Geld reicht nicht einmal, um deine Kinder auf die Schule zu schicken", sagt die Ärztin. Also müssen sich viele in privaten Kliniken etwas dazuverdienen. Im Regierungshospital fehlen sie dann auf der Station, obgleich sie Dienst hätten. So ist es keine Seltenheit, wenn von einem Dutzend Ärzten tatsächlich nur jeweils zwei für die Patienten da sind.

Frauen mit Schwangerschaftskomplikationen können aber nicht warten. Ohne schnelle Hilfe sind sie verloren. Hinzu kommt häufig, dass die Frauen aus den Dörfern mangels eines Transportsystems oft zu lange unterwegs sind, bis sie in der Klinik eine rettende Hand erreichen. Die Hausgeburt in der Lehmhütte ist immer noch weit verbreitet. Und wehe, es kommt dann bei Kerzenschein zu Komplikationen. Dann wird gebetet. Aber es gibt keine helfende Hebamme, keinen Arzt weit und breit.

Die Gesundheitsmisere ist ein Symptom in Staaten, die zu viele Probleme auf einmal lösen müssen und chronische Missstände als unvermeidlich akzeptieren. Nur wenn sie besser regiert und verwaltet werden, kann auch Hilfe von außen dauerhaft wirken. Ansonsten bleibt es bei vereinzelten Wohltaten, bei punktuellen humanitären Einsätzen, die zwar Leben retten, aber doch in einem System gefangen sind, in dem der Tod von Müttern mehr oder minder achselzuckend hingenommen wird - als handle es sich bei den Defiziten im Gesundheitssystem um ein unabwendbares Schicksal, dem mit politischen Mitteln ohnehin nicht beizukommen sei. Die Ärztin Eva Nakabembe hat sich oft gefragt, warum die Leute das alles so hinnehmen. Und wie lange es wohl noch dauern wird, das Bewusstsein in den Köpfen zu ändern. Afrika hat grade erst angefangen, seine Mütter zu retten.

© SZ vom 10.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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