Übungsflüge:Was US-Jets im deutschen Luftraum dürfen

Kampfflugzeug F-16 beim Start in Aviano (Italien)

Ein Kampfflugzeug vom Typ F-16: Ein solcher Militärjet ist in Bayern abgestürzt.

(Foto: AFP)

In Nordbayern ist ein amerikanischer Jet abgestürzt. Was sagt der Pilot? Ist die F-16 fehleranfällig? Hat Deutschland bei Übungsflügen mitzureden?

Von Olaf Przybilla, Thomas Harloff, Sebastian Gierke und Yannick Nock

Warum ist der US-Kampfjet abgestürzt?

Die Ursache für das Unglück ist noch nicht klar. Wahrscheinlich ist ein Turbinenschaden. Spezialisten der US Air Force sind an der Grenze zwischen Oberfranken und der Oberpfalz angrückt. Sie sollen die Flugzeugteile untersuchen. Das US-Militär gab bekannt, dass die Ergebnisse der Untersuchung voraussichtlich erst in zwei bis drei Monaten veröffentlicht werden. Kurz vor dem Absturz der Maschine am Dienstagvormittag hatte sich der Pilot dank des Schleudersitzes retten können. "Ich hatte eigentlich vor, am Flughafen Nürnberg notzulanden. Aber ich habe gemerkt, dass ich es dort nicht mehr hinschaffe", schilderte der 27-Jährige dem Nordbayerischen Kurier die Sekunden vor dem Absturz. Die Maschine krachte in ein Waldstück nahe Engelmannsreuth (Landkreis Bayreuth). Weiter sagte der Pilot: "Ich hab' mehrmals versucht, die Turbine neu zu starten. Aber ich bin immer weiter gesunken."

Warum waren der Flieger auf dem Weg nach Grafenwöhr?

Auf dem US-Truppenübungsplatz Grafenwöhr sind keine Kampfjets stationiert. Aber regelmäßig üben dort über einem unbesiedelten Militärareal Flugzeuge der Amerikaner, der Bundeswehr und der Nato aus ganz Europa. Sechs Kampfjets aus Rheinland-Pfalz, darunter der verunglückte Jet, sollten das Gebiet mehrfach überfliegen und Übungsbomben abwerfen. Solche Manöver finden laut Frank Zeilmann, Sprecher des US-Militärs in Grafenwöhr, je nach Wetterlage "nicht täglich, aber sehr regelmäßig statt". Grafenwöhr in der Oberpfalz gilt zusammen mit den benachbarten oberpfälzischen Standorten in Vilseck und Hohenfels als größter Ausbildungsstandort der US-Armee außerhalb der USA. 9000 Soldaten leisten dort ihren Dienst. Insgesamt leben in der Umgebung von Grafenwöhr 25 000 amerikanische Staatsbürger.

Welche Regelungen gibt es für den Einsatz von US-Jets in Deutschland?

Grundsätzlich gelten in Deutschland für die deutsche und die amerikanische Luftwaffe die gleichen Vorschriften. Das betrifft zum Beispiel die Mindestflughöhe oder die erlaubten Flugzeiten (mehr Informationen hält das Luftfahrtamt der Bundeswehr bereit.) So müssen Jets wie die abgestürzte F-16 eine Mindesthöhe von 1000 Fuß (ungefähr 300 Meter) einhalten. Nur in Ausnahmefällen wird eine Flughöhe von 500 Fuß genehmigt. Für den Überflug von Städten gelten 2000 Fuß.

Warum darf die US Air Force in Deutschland Übungen durchführen?

Dass die Air Force in Deutschland Stützpunkte unterhält und dort beispielsweise auch Übungsflüge abhalten kann, ist in mehreren völkerrechtlichen Verträgen und Vereinbarungen festgehalten. Zum Beispiel im Nato-Truppenstatut und dessen Zusatzabkommen. Oder im Truppenstatut der Nato-Partnerschaft für den Frieden (PfP). Außerdem existiert in Deutschland das Streitkräfteaufenthaltsgesetz (Mehr zum Truppenstationierungsrecht).

Wer ist für die Flugsicherung zuständig?

"In Deutschland gibt es militärisch reservierte Lufträume und den allgemeinen Luftraum", erklärt Nikolaus Herrmann, Chef des Bundesaufsichtsamtes für Flugsicherung. Für die militärischen Lufträume, egal ob sie dauerhaft eingerichtet sind, zum Beispiel um Militärstützpunkte herum, oder temporär ("temporary reserved airspace", kurz TRA), seien ausschließlich militärische Stellen zuständig. Für Übungen wird beispielsweise Luftraum militärisch reserviert.

Die Überwachung der Flugbewegungen übernimmt für die zivile Luftfahrt die Deutsche Flugsicherung (DFS). Allerdings sitzen Fluglotsen der Bundeswehr seit 1993 in den zivilen Kontrollzentren der DFS. Damit solle eine bessere Koordination gewährleistet werden, erklärt die DFS. Militärische Übungen haben einen anderen Charakter als der zivile Flugverkehr. Dabei wird beispielsweise eben auch geübt, Flugzeuge ganz nahe an andere Flugzeuge heranzuführen. Bei der herkömmlichen Flugsicherung geht es vor allem darum, gefährliche Situationen zu vermeiden.

Wer überwacht die Übungsflüge der Air Force?

Übungsflüge der US Air Force werden in Deutschland wie Übungsflüge der Bundeswehr kontrolliert. Der amerikanische Jet-Verband, dem auch die abgestürzte F-16 angehörte, wurde zum Beispiel zu Beginn vom DFS-Bezirkskontrollzentrum München überwacht. Als die Flugzeuge den Truppenübungsplatz Grafenwöhr erreichten, meldeten sie sich ab und verließen die Sprechfunkfrequenz zum Kontrollzentrum. Sie gingen von Instrumentenflug, der von der DFS kontrolliert wird, über in den Sichtflug. Ab dann gilt das Prinzip "sehen und gesehen werden", erklärt ein DFS-Sprecher. "Im Sichtflug können sie rumfliegen, wie sie wollen."

Welchen Gefahren sind die Menschen in der Umgebung von Grafenwöhr ausgesetzt?

Vor vier Jahren beschossen Infanteristen der US-Armee aus Versehen vom Truppenübungsplatz aus die angrenzende Stadt Grafenwöhr mit scharfer Munition. Drei Gebäude der Stadt gerieten unter Beschuss, die Eingangstüre einer Berufsschule wurde durchschlagen. Menschen wurden dabei nicht verletzt. Soldaten hatten mit ihren Maschinengewehren versehentlich in die falsche Richtung gezielt.

Am Truppenübungsplatz in Hohenfels, ebenfalls in der Oberpfalz gelegen, stürzte 2014 eine Drohne bei einem Manöver in ein Waldstück. Die Drohne war nicht mit Waffen ausgestattet. Diese hatte den Luftraum über dem Übungsplatz nicht verlassen. Für größeres Aufsehen sorgte der Vorfall aber trotzdem: Zuvor hatten Pläne des US-Militärs, Drohnen zwischen Hohenfels und Grafenwöhr über nicht militärischem Gebiet fliegen zu lassen, für große Aufregung gesorgt.

Ebenfalls im vergangenen Jahr wurde eine weitere Panne publik: Ein Kampfhubschrauber der Bundeswehr, die ebenfalls in Grafenwöhr trainiert, verlor im September während des Fluges einen Waffenträger ohne Gefechtskopf über dem Übungsplatz. Verletzt wurde dabei niemand.

Welche Art Flugzeug ist die F-16 Fighting Falcon?

Der meist einsitzige Militärjet kann als Abfangjäger und Jagdbomber eingesetzt werden und befindet sich bei der US-Luftwaffe seit 1979 im Dienst. Bis 1993 wurde er vom Rüstungskonzern General Dynamics gebaut, danach übernahm Lockheed Martin die Fertigung. Die F-16 gilt als eines der leistungsfähigsten Militärflugzeuge und erreicht je nach Version und Flugbedingungen eine Spitzengeschwindigkeit von bis zu Mach 2,02, was mehr als 2100 km/h entspricht. Wird der Jet als Abfangjäger genutzt, trägt er meist sechs Lenkwaffen an Bord. Zudem ist eine sechsläufige 20-Millimeter-Revolverkanone an Bord. Mit dieser Bewaffnung beträgt der Aktionsradius der F-16 etwa 580 Kilometer. Darüber hinaus kann der Militärjet mit vielen weiteren Waffensystemen ausgerüstet werden.

Das gut 15 Meter lange Flugzeug hat eine Spannweite von ungefähr 9,5 Metern und ein Startgewicht von etwa zwölf Tonnen. Es wird besonders für seine Wendigkeit geschätzt. Mehr als 2200 Exemplare wurden an die US Air Force ausgeliefert, ähnlich viele Fighting Falcons wurden in mehr als zwei Dutzend Länder exportiert. Im vergangenen Jahr waren weltweit noch knapp 2300 F-16-Jets aktiv im Einsatz, was diesen Typ zum am meisten verbreiteten Militärflugzeug macht. Es kommt auch im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat zum Einsatz. Die US-Vertretung bei der Nato teilte am Sonntag mit, dass die USA erstmals seit Beginn des von den Vereinigten Staaten angeführten Lufteinsatzes gegen den IS Kampfflugzeuge auf den türkischen Luftwaffenstützpunkt Incirlik entsandt haben. Sechs F-16-Kampfjets sind dort stationiert worden. Die USA und die Türkei hatten im Juli ein Abkommen über die Nutzung von Incirlik durch die US-Armee geschlossen.

Wie anfällig ist das Flugzeug?

Die F-16 hat nicht den Ruf, ein besonders fehleranfälliges Flugzeug zu sein. Doch einer Internet-Datenbank zufolge gibt es kaum ein Jahr in der Geschichte der Fighting Falcon, in dem nicht mindestens ein Dutzend Abstürze oder schwerwiegende Pannen zu beklagen waren.

Einigen Quellen zufolge war die Absturzrate in den frühen Achtzigerjahren signifikant höher als in späteren Jahren - was darauf hindeutet, dass die erste Serie F-16A/B verhältnismäßig fehleranfällig war. Allein zwischen 1975, als die Prototypenerprobung begann, und 2003, als die letzten F-16A/B-Maschinen endgültig ausrangiert wurden, wurden 272 Maschinen dieses Typs bei Unfällen und Abstürzen zerstört. Danach sank die Absturzrate kontinuierlich, allerdings geht der Trend in diesem Jahr wieder nach oben. 2015 gab es bislang neun schwerwiegende Zwischenfälle mit F-16-Flugzeugen, der gestrige Unfall war bereits der fünfte Absturz.

Laut Hersteller Lockheed Martin wurde etwa die Hälfte der Abstürze zwischen 1975 und 2003 durch Pilotenfehler hervorgerufen. Tatsächlich handelt es sich oft um Abstürze bei Übungs- und Ausbildungsflügen sowie um Kollisionen in der Luft, was jeweils auf Pilotenfehler schließen lässt. Doch viele der dokumentierten Abstürze haben ihre Ursache in technischen Problemen am Triebwerk oder am Treibstoffsystem.

Nachdem das amerikanische Militär die letzte F-16 im Jahr 2005 in Dienst gestellt hat, wird dieses Flugzeug von Lockheed Martin nur noch für den Export hergestellt. Die ersten Exemplare des Nachfolgemodells F-35 Lightning II hat das US-Militär kürzlich übernommen.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: