Nach Cyberspionage-Vorwurf:China bestellt US-Botschafter ein

Amerika sieht in China den "bedrohlichsten Akteur im Cyberspace". Nun werden fünf Hacker angeklagt, weil sie mehrere Großkonzerne ausspioniert haben sollen. Peking zeigt sich empört - und verlangt Aufklärung von Washington.

Erstmals haben die USA Vertreter des chinesischen Staates wegen Wirtschaftsspionage im Internet angeklagt. US-Justizminister Eric Holder machte Vorwürfe gegen fünf Offiziere der chinesischen Volksbefreiungsarmee öffentlich, die mit Cyberattacken Handelsgeheimnisse von US-Unternehmen gestohlen haben sollen. Die US-Regierung werde die "Untergrabung des fairen Wettbewerbs" durch Cyberspionage nicht tolerieren, sagte Holder bei einer Pressekonferenz.

China bestreitet die Vorwürfe energisch. Peking bestellte den US-Botschafter in der chinesischen Hauptstadt ein und setzte die Zusammenarbeit in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe zu Cybersicherheit aus, wie das chinesische Außenministerium mitteilte. Chinas Regierung und Militär seien "niemals" an Cyberdiebstahl von Handelsgeheimnissen beteiligt gewesen. Die Beschuldigungen basierten auf "absichtlich erfundenen Fakten", sagte der Sprecher des Außenamts. Er beschuldigte im Gegenzug die USA unter Hinweis auf die jüngsten Enthüllungen über US-Spionageaktivitäten des "weitreichenden und organisierten Cyberdiebstahls".

Die vor einem Bundesgericht in Pennsylvania erhobene Anklage richtet sich gegen fünf Hacker, die Teil einer Sondereinheit des chinesischen Militärs sein sollen. Den Verdächtigen wird vorgeworfen zwischen 2006 und 2014 in die Computernetzwerke von fünf US-Unternehmen und einer Gewerkschaft eingedrungen zu sein. Dort hätten sie Industriegeheimnisse und vertrauliche Informationen über Unternehmensstrategien gestohlen, um chinesischen Firmen einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.

China ist für die USA "bedrohlichster Akteur im Cyberspace"

Opfer der Cyberattacken waren den Angaben zufolge der Atomenergiekonzern Westinghouse, der US-Ableger des deutschen Photovoltaik-Konzerns Solar World, der Stahlriese US Steel, der Aluminiumhersteller Alcoa, das auf Metallproduktion spezialisierte Unternehmen Allegheny Technologies sowie die große Industriegewerkschaft USW.

Das chinesische Vorgehen erfordere eine "aggressive Antwort", sagte Holder. Zum ersten Mal werde die US-Justiz daher Vertreter eines anderen Staates wegen Cyberspionage zur Verantwortung ziehen. Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass die fünf Hacker je auf einer Anklagebank in den USA sitzen werden. Die Verdächtigen gehören mutmaßlich zu der Einheit 61398 der Volksbefreiungsarmee, die von einem unscheinbaren Hochhaus in einem Vorort von Shanghai aus die Cyberangriffe steuern soll.

Die USA hatten China immer wieder vorgeworfen, in die Computernetzwerke von US-Unternehmen einzudringen. Ein Bericht des US-Kongresses aus dem Jahr 2012 bezeichnete China als den "bedrohlichsten Akteur im Cyberspace". Das US-Justizministerium bildete der Washington Post zufolge in den vergangenen Jahren Hunderte Staatsanwälte dazu aus, Fälle von Cyberspionage aus dem Ausland zu verfolgen. Die chinesische Regierung wies die Anschuldigungen stets zurück und betonte, selbst Ziel von Cyberangriffen zu sein.

Im Februar vergangenen Jahres hatte eine Untersuchung der US-Sicherheitsfirma Mandiant die Aufmerksamkeit auf eine Sondereinheit der chinesischen Armee gelenkt, die mit Hunderten Hackern von einem Gebäude in Shanghai aus Unternehmen und Behörden in den USA ins Visier nehmen soll. Mit dem Wissen und der "direkten Unterstützung" Pekings sei eine "ausgedehnte Cyberkampagne" gegen mehr als 140 Ziele in den Vereinigten Staaten im Gange, hieß es in dem Bericht.

NSA-Angriff auf Huawei

Die Wirtschaftsspionage über das Internet verursacht für die USA hohe Schäden, der Washington Post zufolge reichen die Schätzungen über die jährlichen Einbußen von 24 bis 120 Milliarden Dollar (bis zu 87,5 Milliarden Euro). Die Enthüllungen des früheren US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden über die massiven Spähprogramme des US-Geheimdienstes NSA haben die Regierung in Washington allerdings in Erklärungsnöte gebracht. Das Magazin Der Spiegel und die New York Times hatten im März berichtet, dass die NSA in China neben der Staatsführung auch den Netzwerkriesen Huawei ins Visier genommen habe.

Demnach soll die NSA das Computernetzwerk von Huawei infiltriert sowie sich Zugang zum E-Mail-Archiv, zu internen Kommunikationsdokumenten und zu geheimen Quellcodes verschafft haben. Die von einem ehemaligen Ingenieur der chinesischen Armee 1987 gegründete Firma ist der zweitgrößte Netzwerkausstatter der Welt und außerdem der drittgrößte Hersteller von Smartphones. Somit ist Huawei einer der größten Konkurrenten des US-Konzerns Cisco.

Als Grund für die Ausforschung gab die NSA den Berichten zufolge in einem internen Papier an, dass "viele unserer Ziele über Huawei-Produkte kommunizieren" und der Geheimdienst auf dem Stand der Technik bleiben müsse. Zudem gebe es die Sorge, dass China die weitverzweigte Infrastruktur von Huawei "zu Spionagezwecken nutzen" könne. US-Präsident Barack Obama ließ die Vorwürfe zurückweisen und versicherte dem chinesischen Staatschef Xi Jinping bei einem Treffen Ende März, dass "die Vereinigten Staaten nicht spionieren, um sich einen wirtschaftlichen Vorteil zu verschaffen".

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