Übergangsregierung in Rom:Mario Monti soll Italien aus der Krise führen

Neue Hoffnung in Italien: Der Wirtschaftsexperte Mario Monti soll eine Übergangsregierung bilden und dem Land aus der Krise helfen. In Rom bejubeln die Bürger ihren neuen Ministerpräsidenten. Berlusconi hatten sie mit Pfiffen und Buhrufen aus dem Amt geleitet - worüber sich dieser in einer Videobotschaft "traurig" zeigte.

Andrea Bachstein, Rom

Mario Monti wird Italiens neuer Regierungschef. Am Sonntagabend hat Staatspräsident Giorgio Napolitano den 68-Jährigen wie erwartet mit der Bildung einer technischen Übergangsregierung beauftragt. Monti hat diese Aufgabe angenommen - zunächst unter dem formalem Vorbehalt weiterer Verhandlungen über die Zusammensetzung seines Kabinetts. In seiner ersten Äußerung sagte Monti, er übernehme das Amt in großem Verantwortungsbewusstsein und als Dienst an seinem Land.

Italien müsse die Herausforderung der Finanzkrise meistern. "Es muss ein Element der Stärke Europas werden und nicht seiner Schwäche", sagte Monti am Sonntagabend. Seine Hauptanstrengung werde es sein, die Staatsschulden zu senken und das Wachstum der Wirtschaft in Gang zu bringen.

Der bisherige Ministerpräsident Silvio Berlusconi war am Samstagabend zurückgetreten, nachdem auch das Abgeordnetenhaus die von der EU verlangten Finanz- und Wirtschaftsreformen verabschiedet hatte. Tausende feierten Berlusconis Rücktritt vor dem Präsidentenpalast in Rom und an anderen Orten. Am Sonntagabend versammelten sich erneut Menschen vor dem Quirinal in Rom, um Mario Monti nach seiner Ernennung zu erwarten.

Die Benennung des ehemaligen EU-Kommissars und Wirtschaftsprofessors aus Varese hatte sich hinausgezögert, weil Berlusconis Partei PDL bis zuletzt darüber zerstritten war, ob sie ihn im Parlament unterstützen würde. Sie erwägte, einen anderen Kandidaten ins Spiel zu bringen oder Neuwahlen zu provozieren. Der Staatspräsident hatte sie deshalb gemahnt, es müsse jetzt Schluss sein mit dem "Minister-Toto".

Die Opposition aus Sozialdemokraten und mehreren Parteien der bürgerlichen Mitte hatte sich dagegen bereits vor Tagen gemeinsam entschieden, eine technische Regierung unter Monti zu unterstützen. Bis zur Eröffnung der Börsen an diesem Montag sollte in Rom unbedingt eine neue Regierung stehen.

Nach der Zustimmung der PDL zu Monti, forderte Silvio Berlusconi am Sonntagabend zur Geschlossenheit im Interesse Italiens auf. "Nur dann können wir diese Herausforderung gewinnen", sagte er. Es sei an der Zeit, die Streitereien hinter sich zu lassen. Er sagte dies in einer auf Video aufgezeichneten Botschaft, in der sich der 75-Jährige zum ersten Mal nach seinem Rücktritt öffentlich äußerte.

Er verwies darauf, dass seine Regierung in Rekordzeit die Stabilitätsgesetze erarbeitet habe. Italien beweise damit, dass es das Vertrauen der Märkte verdiene. Er sei zurückgetreten "aus Verantwortungsgefühl" und um weitere Attacken der Finanzspekulation auf Italien abzuwenden. "Ich bin traurig, dass eine verantwortungsbewusste, großzügige Geste wie mein Rücktritt mit Pfiffen und Beleidigungen aufgenommen worden ist", sagte Berlusconi zu den Schmähungen der Demonstranten gegen ihn am Samstagabend. Millionen Italiener seien aber anderer Meinung.

Berlusconi dankte "den Italienern für die Kraft und die Zuneigung, die sie gezeigt haben", und lobte die Arbeit seiner Regierung. "Ich liebe Italien, und ich liebe die Freiheit", sagte der Ex-Premier. Er werde jetzt seine Kräfte in der Politik und im Parlament verdoppeln, um das Land voranzubringen. Silvio Berlusconi hat Italien seit 1994 mit Unterbrechungen 17 Jahre lang regiert.

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