Überfall in Potsdam:Schönbohms verzerrte Realitätswahrnehmung

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Brandenburgs Innenminister Schönbohm schert sich nicht darum, wie sensibel das Thema Ausländerfeindlichkeit in Deutschland ist. Für einen albernen Kompetenzstreit nimmt er eine Verhöhnung des Opfers in Kauf.

Bernd Oswald

In Potsdam ist ein Deutsch-Äthiopier so brutal zusammengeschlagen worden, dass er lebensgefährlich verletzt wurde. Ob Ermyias M. überlebt und wenn ja, mit welchen Folgeschäden, vermag noch niemand zu sagen.

Jörg Schönbohm sorgt sich um das angeblich beschädigte Image Brandenburgs (Foto: Foto: dpa)

Das Opfer rief vorher noch seine Frau an, auf deren Mobilbox ist zu hören, wie ihr Mann angepöbelt wurde, unter anderem mit den Worten "Scheiß Nigger". Das hat Generalbundesanwalt Kay Nehm auf den Plan gerufen. Schon bald wurden zwei Männer festgenommen, von denen zumindest einer im Verdacht steht, in rechtsextremen Kreisen zu verkehren.

Klar, das alles sind nur Indizien und noch keine Beweise. Aber so ist es nun mal in der Justiz: Der Staatsanwalt ermittelt auf der Basis von Indizien. Möglicherweise werden - wie im Fall der Blutspuren am Tatort - daraus Beweise. Darüber hinaus ist Kay Nehm ein sehr angesehener Generalbundesanwalt, der bisher nicht durch blinden Aktionismus aufgefallen ist.

Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm stört sich massiv an Nehms Eingreifen. Diese Maßnahme sei "überzogen" und habe außerdem zu einer Stigmatisierung Brandenburgs geführt. "Diese Straftat hätte auch in Brandenburg alleine aufgeklärt werden können und aufgeklärt werden müssen", legte der CDU-Politiker am Sonntagabend in Sabine Christiansens Fernseh-Parlament nach.

In Deutschland wird ein Schwarzer unter rassistischen Begleitumständen fast zu Tode geprügelt - und der Innenminister Brandenburgs sorgt sich um das Image seiner Strafverfolgungsbehörden.

Die deutsche Öffentlichkeit ist 60 Jahre nach dem Ende des Nationalsozialismus noch immer extrem sensibilisiert, wenn es um rechtsradikale Gewalttaten geht. Genauso in Fällen, die nur rechtsradikal anmuten. Und das ist gut so.

Wenn sich solche Übergriffe in den neuen Bundesländern zutragen, sind die Empfindlichkeiten noch größer. Die Bilder von brennenden Asylantenheimen, zu Tode gehetzten oder erschlagenen Ausländern haben sich ins Gedächtnis eingebrannt. Auch in Brandenburg gibt es den rechtsextremen Bodensatz, wie nicht nur ein Blick in den Landtag zeigt, in dem seit 1999 die DVU sitzt.

Das alles lässt Jörg Schönbohm außer Acht. Er scheint nicht wahrhaben zu wollen, dass der Rechtsextremismus in Deutschland ein ganz aktuelles Problem ist. Noch schwerer wiegt, dass er so respektlos damit umgeht.

Wenn Schönbohm das Eingreifen des Generalbundesanwalts aus gekränkter Eitelkeit lautstark als "Politikum" kritisiert, verhöhnt er das Opfer, Ermyas M. Ein Politiker, zumal ein Innenminister, hat eine hohe Verantwortung im Umgang mit dem Thema Rechtsradikalismus. Das weiß auch Jörg Schönbohm.

Er sollte Kay Nehm seine Arbeit machen lassen und mehr Energien auf den Kampf gegen die Ausländerfeindlichkeit verwenden.

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