Ude im Gespräch:"Komplott zu Lasten der Kommunen"

Christian Ude, Münchens Oberbürgermeister und Vizepräsident des Städtetags, über die Wut der Kommunen und Bellen im Hausflur.

Susanne Klaiber

Christian Ude (SPD) ist Vizepräsident des Deutschen Städtetags und Oberbürgermeister der Stadt München. sueddeutsche.de schließt mit diesem Gespräch die Serie "Kommunen in Not - Spar oder stirb" ab, welche die Finanzsituation der Städte beleuchtet - und skurrile Sparideen vorstellt.

sueddeutsche.de: Der Deutsche Städtetag sagt, die Kommunen befänden sich in der finanziell schwierigsten Situation der Nachkriegsgeschichte. Tatsächlich aber haben sie 2009 so viel Steuern eingenommen wie selten zuvor. In Nordrhein-Westfalen zum Beispiel hatten Städte und Gemeinden laut Bund der Steuerzahler die vierthöchsten Steuereinnahmen seit 1945. Wie passt das zusammen?

Christian Ude: Moment mal, wir hatten 2009 überall zweistellige konjunkturbedingte Einbrüche, in manchen Städten bis zu 20 Prozent. Wenn man sieht, welche Herkulesarbeit es ist, nur ein Prozent einzusparen, kann man sich vorstellen, was zweistellige Einbußen bedeuten. Zum Beispiel NRW: Dort stehen einige Städte seit zehn Jahren unter Haushaltskontrolle. Sie haben alle Sparmöglichkeiten längst ausgeschöpft.

sueddeutsche.de: Sie vergleichen die Einbrüche mit 2008, einem Spitzenjahr, was die Einnahmen angeht.

Ude: Natürlich war 2008 ein gutes Jahr. 2006, 2007 und 2008 waren sogar drei gute Jahre. Aber die Ausgaben der Kommunen steigen ständig. Ein Beispiel: Der begrüßenswerte Ausbau der Kinderbetreuung ist eine Kostenexplosion, vor allem wegen der Personalkosten, die mit jeder neuen Kindergruppe steigen. Das sind keine einmaligen Ausgaben, die tauchen jedes Jahr wieder im Haushalt auf. Und an anderer Stelle sparen, das funktioniert auch nicht. Einerseits ist das Personal im Sozialwesen wegen der gestiegenen Fallzahlen an der Belastungsgrenze angelangt. Andererseits entstehen schon jetzt Situationen wie jene, in der die Wohnungsgeldzahlungen nach der Gesetzesnovelle wegen Personalmangel zu lange auf sich haben warten lassen.

sueddeutsche.de: Hätten sich die Kommunen in den guten Jahren ein Polster für die Zeit danach anlegen müssen?

Ude: Von Polster kann überhaupt keine Rede sein. Man war nur in der Lage, die atemberaubendenden Schulden zu reduzieren. Selbst in einer florierenden Stadt wie München, in der wir eine Milliarde Euro Schulden losgeworden sind.

sueddeutsche.de: Haben sich die Städte zuvor übernommen? In Oberhausen zum Beispiel wurden vier von sieben Bädern geschlossen.

Ude: Immer wieder diese Verdächtigungen. Die Frage unterstellt, es würde den Bürgern irgendwo zu viel geboten.

sueddeutsche.de: Jammern die Kommunen auf hohem Niveau?

Ude: Der Satz sagt sich so leicht. Aber ich kenne zum Beispiel Eltern, die wollen, dass die Schule ihrer Kinder saniert wird. Da sagt keiner, man würde auf hohem Niveau jammern. Natürlich stehen wir in München besser da als zum Beispiel Hof. Und in Bayern besser als in Ostdeutschland. Ich denke da an Halle, Chemnitz und Magdeburg, wo die Krise richtig zugeschlagen hat.

sueddeutsche.de: Hätten sich die Kommunen darum kümmern müssen, ihre Finanzierung auf eine andere Basis zu stellen, weg von konjunkturabhängigen Quellen wie der Gewerbesteuer?

Ude: Das sind die atemberaubendsten Kapriolen der Leute, die den Kommunen das Wasser abgraben und sich selbst als Retter darstellen wollen. Die Kommunen sind für die gesetzliche Regelung ihrer Finanzierung nicht verantwortlich. Das ist Sache des Bundes. Die Kommunen können nur mit ohnmächtiger Wut zur Kenntnis nehmen, dass Bundespolitiker über Steuergeschenke schwadronieren, während die Kommunen beschädigt werden. Wir fordern deshalb Mitwirkung bei der Gesetzgebung!

sueddeutsche.de: An welche Bundespolitiker denken Sie, wenn Sie von Leuten sprechen, die den Kommunen schaden und sich als Retter aufführen?

Ude: Ich meine insbesondere die FDP und Teile der Union. Was die Gegner der Gewerbesteuer fordern, ist eine kaum zu überbietende Dreistigkeit: Die wollen das Geld über die Mehrwertsteuer und die Einkommensteuer holen und die Wirtschaft entlasten, damit Berufstätige und Verbraucher bezahlen. Das ist das glatte Gegenteil des Mottos "Mehr Netto vom Brutto". Das ist eine Abwälzung von Lasten auf die normalen Steuerzahler! Dass Schwarz-Gelb es überhaupt wagt, diese Idee zu propagieren, obwohl unter Merkel zweifelsfrei bewiesen wurde, dass es keine Ersatzlösung für die derzeitige Finanzierung gibt, ist ein starkes Stück!

sueddeutsche.de: Schuld an der Misere sind also nur Bund und Länder?

Ude: Abgesehen von einigen Fehlvorhaben, die es bei 5000 Kommunen immer geben kann, kenne ich keine gravierende Fehlentscheidung auf ihrer Seite.

sueddeutsche.de: Die Städte haben sich einiges einfallen lassen, um an Geld zu kommen. In Köln versucht man zum Beispiel, Leute zu finden, die die Hundesteuer nicht zahlen. Kontrolleure stellen sich vor Wohnungstüren, bellen und lauschen, ob ein Hund antwortet.

Ude: (lacht herzlich, trotz seiner Rage) Man greift in der Not nach jedem Strohhalm. Nur: Dabei können die Städte Nachkommastellen im Haushalt verbessern, aber nicht Ausfälle aus der Gewerbesteuer kompensieren. Aber im Hausflur zu bellen, halte ich für grandios.

sueddeutsche.de: Wie schätzen Sie die Reaktion der Bürger auf solche Methoden ein?

Ude: Der Effekt ist doch klar. Die Kommunen setzen sich aus Not in die Nesseln und müssen die Wut der Bürger aushalten, während die Bundespolitiker, die dafür verantwortlich sind, in Spendierhosen durchs Land laufen. Das ist ein Komplott zu Lasten der Kommunen.

sueddeutsche.de: Was ist die beste Sparidee, von der Sie gehört haben?

Ude: Man hätte rechtzeitig den Schlamassel bei der Landesbank vermeiden sollen, statt sich in finanzielle Abenteuer zu stürzen.

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