TV-Duell vor der Wahl im Saarland:Der Schulz-Effekt nährt neue Hoffnungen an der Saar - nicht nur bei der SPD

TV-Duell vor der Saarland-Wahl, Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), Anke Rehlinger (SPD) und Oskar Lafontaine (Die Linke) (l-r)

Wer koaliert im Saarland nach der Wahl mit wem? Im TV-Studio sitzen die amtierende Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), SPD-Spitzenkandidatin Anke Rehlinger und Oskar Lafontaine, der die Linke im Landtagswahlkampf führt, noch einträchtig nebeneinander.

(Foto: dpa)

Im TV-Duell kommentiert SPD-Spitzenkandidatin Rehlinger das derzeitige Umfragehoch süffisant. Und Linken-Spitzenkandidat Lafontaine spricht schon so, als säße er bald in der Regierung.

Von Barbara Galaktionow

In nicht einmal zwei Wochen wird gewählt im Saarland. Außerhalb des Bundeslandes wurde der Wahl im kleinsten Flächenland der Republik bislang wenig Aufmerksamkeit geschenkt - und das, obwohl sie den Auftakt bildet zum Superwahljahr 2017 mit insgesamt drei Landtagswahlen und der Bundestagswahl.

Doch das könnte sich jetzt ändern. Denn das Votum der Saarländer dürfte einen ersten Einblick erlauben, wie sich der sogenannte Schulz-Effekt auswirkt, die Inthronierung des früheren EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz als SPD-Kanzlerkandidat. Aktuellen Umfragen zufolge ist dieser Effekt beachtlich. Pünktlich zu einer TV-Debatte der Spitzenkandidaten im Saarländischen Rundfunk veröffentlichte am Donnerstagabend die ARD eine neue Vorwahlumfrage. Die zeigt, was die saarländische Vize-Regierungschefin und SPD-Spitzenkandidatin Anke Rehlinger in der Sendung so formuliert: Man könne sehen, wie es sich auswirke, wenn der "Bundestrend nicht drückt", sondern einem "Rückenwind verleiht".

Soll ja schließlich nicht so aussehen, als habe die Landes-SPD gar nichts mit ihrem eigenen Erfolg zu tun.

Der Schulz'sche Rückenwind bescherte der Saar-SPD in der Umfrage nämlich acht Prozentpunkte mehr - mit 34 Prozent liegen die Sozialdemokraten nun fast gleichauf mit der CDU (35 Prozent). Das erklärte Ziel, stärkste Partei zu werden und nicht mehr nur als Juniorpartner in der schwarz-roten Koalition zu agieren, rückt damit in greifbare Nähe. Alle anderen Parteien haben hingegen verloren: die CDU von Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer um drei Prozentpunkte, die Linke kommt auf einen Prozentpunkt weniger und liegt jetzt bei 13 Prozent, die AfD muss ein Minus von 2,5 verschmerzen und steht bei 6,5 Prozent. Die FDP (jetzt bei drei Prozent) und die Grünen (bei 4,5 Prozent) würden dieser Umfrage zufolge nicht in den kommenden Landtag einziehen.

"Wir müssen zittern", gesteht Hubert Ulrich, der männliche Part der grünen Doppelspitze, unumwunden ein. Er wird in der Sendung versuchen, mit eher nüchternen Aussagen zum grünen Landeskurs zu punkten: Sparkurs in der Bildung stoppen, mehr sozialer Wohnungsbau, Trinkwasserschutz.

Lafontaine sieht "Wille zum Politikwechsel"

Der liberale Spitzenmann setzt da mehr auf die Methode PR-Spruch. Die FDP werde gebraucht, versucht Oliver Luksic den Zuschauern ins Hirn zu brennen, sie sei die "Stimme der wirtschaftlichen Vernunft". Das scheinen allerdings bislang nur wenige Saarländer erkannt zu haben, in keiner Umfrage kommt seine Partei derzeit auf mehr als vier Prozent. Also muss im TV-Studio das Schreckgespenst einer linken Regierung herhalten, um den Wählern vielleicht doch noch ein paar Stimmen abzuringen: "Ohne FDP wird es in jedem Fall ein rot-rotes Bündnis geben", behauptet Luksic.

Das wäre auf alle Fälle ganz nach dem Geschmack von Oskar Lafontaine. Der 73-jährige Ex-Ministerpräsident des Saarlands, Ex-SPD-Chef, Ex-Kanzlerkandidat, Ex-Bundesfinanzminister und Ex-Linken-Chef hat sich noch einmal bereit erklärt, die Saar-Linken in den Wahlkampf zu führen. Sein Ziel ist klar: Er möchte Teil der ersten rot-roten Koalition in einem westdeutschen Flächenland werden (oder notfalls auch der ersten rot-rot-grünen Koalition).

Und so spricht Lafontaine auch gar nicht mehr über Oppositionsarbeit, sondern vielmehr darüber, "was wir machen, wenn wir uns an der Regierung beteiligen", nämlich mehr investieren, sozialen Wohnungsbau fördern, Kindergarten-Gebühren runterfahren. Seine Ansicht, dass der "Wille nach einem Politikwechsel" da sei, wird durch die aktuellen Umfrageergebnisse allerdings nicht bestätigt. Zumindest nicht, was seine Partei angeht.

Saarländer gucken auch auf die Bundespolitik

Fast 70 Prozent der Saarländer sind nämlich mit der Arbeit der jetzigen CDU-SPD-Regierung zufrieden oder sogar sehr zufrieden. Immerhin 61 Prozent wollen auch nach der Wahl gern von einer Koalition der beiden Parteien regiert werden, wobei jeweils etwa die Hälfte für ein Bündnis unter Führung der CDU oder der SPD plädiert. Demgegenüber wünschen sich nur 36 Prozent der Wähler ein Regierungsbündnis von SPD und Linken - was den Umfragen zufolge aber inzwischen immerhin rein rechnerisch möglich wäre.

SPD-Kandidatin Rehlinger hält sich die Koalitionsfrage offen. CDU-Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer hat sich hingegen festgelegt: Sie will auch weiterhin mit der SPD regieren, eine andere realistische Option hat sie aber auch nicht. In der TV-Debatte zeigen sich die beiden Politikerinnen, die bislang tatsächlich recht geräuschlos und erfolgreich zusammengearbeitet haben, durchaus kämpferisch.

Kramp-Karrenbauer ist nach wie vor bei den Wählern sehr beliebt - bei einer Direktwahl würden der ARD-Umfrage zufolge 51 Prozent der Saarländer für sie stimmen, nur 32 Prozent für Rehlinger. Diese Karte spielt die in Bedrängnis geratene Landeschefin aus. Die entscheidende Frage sei doch: "Wer stellt am Ende des Tages die Ministerpräsidentin?", sagt Kramp-Karrenbauer. Was soziale Gerechtigkeit und Bildung angeht, will sie vor allem die Chancengerechtigkeit erhöhen. Als Einzige in der gesamten Runde plädiert sie dafür, das eingeführte achtjährige Gymnasium jetzt auch beizubehalten - eine teilweise Wiedereinführung von G9 schaffe nur neue Unruhe.

Rehlinger setzt ganz auf soziale Gerechtigkeit. Das Thema müsse der "Dreh- und Angelpunkt der Politik" sein. Das findet im Übrigen auch SPD-Kanzlerkandidat Schulz und Rehlinger sich somit in allerbester Gesellschaft.

In der Debatte geht es weitgehend um Saarland-spezifische Themen - vom Bildungssystem über Gründerinitiativen bis zum Streit um Windräder in Wäldern. Vielleicht nicht die klügste Strategie von allen Parteienvertretern, denn in der Umfrage sagten immerhin 68 Prozent der Saarländer, dass die Bundespolitik für ihre Wahlentscheidung in der Landtagswahl wichtig sei. Das gilt vor allem für die Anhänger der AfD, die in diesem Jahr wohl erstmals in den Landtag einziehen wird. 90 Prozent ihrer Wähler geben an, dass die Bundespolitik für die Saarland-Wahl wichtig sei.

Das mutet insofern lustig an, als dass die Bundes-AfD wegen mutmaßlicher rechtsextremer Verstrickungen einiger saarländischer Abgeordneter verhindern wollte, dass die Saar-AfD überhaupt zur Wahl antritt - "mit Rücksicht auf die Gesamtpartei im wichtigen Wahljahr 2017".

Für einen kurzen Moment wird die Debatte hitzig

Die Bundes-AfD scheiterte allerdings mit dieser Absicht. Und so sitzt nun auch Landes-Spitzenkandidat Rolf Müller für die Partei mit in der TV-Runde und speist neben eher unverfänglichen Themen wie dem Lob des dualen Ausbildungssystems AfD-typische Inhalte in die Debatte mit ein ("Wir sind für die Abschaffung des Euro"). Er sorgt auch dafür, dass die Debatte für einen kurzen Moment hitzig wird, als er der Regierung vorwirft, dem Saarland durch die "mutwillig herbeigeführte" Flüchtlingsaufnahme "ungeheure Lasten aufgebürdet" zu haben.

Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer entgegnet scharf, dass sie die Behauptung zurückweise, "irgendjemandem in diesem Land ginge es schlechter" wegen der Flüchtlinge. Vize-Regierungschefin Rehlinger betont unter Zustimmung der übrigen Kandidaten, man habe sich "nicht nur sehr rechtmäßig verhalten, sondern auch sehr menschlich". Das Flüchtlingsthema spielt dem Saarländischen Rundfunk zufolge allerdings für die Wähler keine große Rolle - und wird deshalb im Fernsehstudio nicht weitergehend behandelt.

Die Sprache kommt auch nicht auf ein anderes Thema, das derzeit die bundespolitischen Debatten bestimmt: die Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Deutschland. Das Saarland war hier am Dienstag als erstes Bundesland mit der Entscheidung vorgeprescht, diese Auftritte verbieten zu wollen. Auch in der ARD-Umfrage befürworteten 84 Prozent ein solches Vorgehen.

Warum darüber trotzdem nicht gesprochen wurde? Wer weiß. Vielleicht liegt es ja einfach daran, dass das Thema für das Saarland gar nicht wirklich relevant ist. Von geplanten Wahlkampfauftritten türkischer Regierungsmitglieder in dem Bundesland ist jedenfalls nichts bekannt.

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