TV-Debatte der französischen Republikaner:Ein finsterer Abend mit den französischen Republikanern

Nicolas Sarkozy, Alain Juppé und die übrigen konservativen Anwärter auf die Präsidentschaftskandidatur liefern sich eine TV-Debatte zum Gähnen - bis es um die I-Themen geht: Immigration und Islam.

Von Christian Wernicke

Der Aufwand war enorm. Sieben Kandidaten, zwei Stunden beste Sendezeit, dazu ein blau-weiß-rot gestyltes Studio, das es hätte aufnehmen können mit dem Glitzer und Glamour amerikanischer TV-Debatten: Frankreichs Republikaner suchten am Donnerstagabend ihren Star, der für sie kommendes Jahr den Élysée-Palast zurückerobern soll. Ende November will die bürgerliche Opposition per Vorwahl ihren Spitzenkandidaten für die Präsidentschaftswahl küren. Der gesuchte Held hat laut allen Prognosen beste Aussichten, die Macht zu gewinnen. Nur war er an diesem Abend nirgendwo zu entdecken.

Das war, einerseits, Taktik. Alain Juppé, der 71-jährige Favorit aller Umfragen, mühte sich nur um eines: Fehler zu vermeiden. Der frühere Premierminister ignorierte Provokationen, mied Sticheleien. In der ersten Hälfte der Debatte, die sich ganz der nationalen Wirtschaftsmisere und Sozialkrise widmete, breitete der Technokrat minutenlang Zahlenreihen aus zu Steuerreform, Schulden, Arbeitslosengeld. Im Detail verstanden hat das kaum jemand. Aber, so sein Kalkül, es wirkt kompetent.

Juppé möchte präsidial wirken. Das gelingt. Er inszeniert, von oben herab, den doppelten Kontrast: zum verzagten Amtsinhaber François Hollande ebenso wie zu seinem Widersacher Nicolas Sarkozy, dem allzeit hyperaktiven Ex-Präsidenten und Wiederkehrer. Es gelte, so setzt Juppé den Ton in seinem Eingangsstatement, "die Autorität des Staates wiederherzustellen und die Würde des Präsidentenamtes".

Allein Nicolas Sarkozy stört die Harmonie

Hunderttausende Franzosen dürften sich schon im Laufe dieser ersten Hälfte der republikanischen Debatte rausgezappt haben. Wirtschaftspolitisch offerieren die Aspiranten kaum Unterschiedliches: Weniger Steuern, weniger Staatsausgaben und weniger Beamte versprechen sie alle. Das meiste klingt wie die Angebotspolitik aus den 80er und 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. François Fillon, auch ein früherer Premierminister, empfindet es als Kompliment, dass man in ihm wegen seines drakonischen Sparprogramms den "Mister Thatcher" der Nation sieht. Juppé räumt ein, seine Rezepte seien notgedrungen "klassisch". Warum? "Niemand hat so etwas bisher in Frankreich angewandt."

Allein Nicolas Sarkozy stört die Harmonie. Er geißelt, dass Fillon und Juppé die Mehrwertsteuer erhöhen wollen (um gleichzeitig andere Abgaben zu senken). Sein Motiv sei, so Sarkozy, nicht ökonomisch, sondern rein politisch: "Ich will das nicht, einfach weil Hollande das auch getan hat. Wir können nicht dasselbe machen." Nathalie Kosciusko-Morizet, die einzige Frau zwischen sechs ergrauten Herren, wird die Debatte eine Stunde später so bilanzieren: "Recycling, das geht mit Müll, aber nicht mit Ideen."

Seinen traurigen Tiefpunkt erreicht der republikanische Siebenkampf dann nach der Werbepause. Bruno Le Maire, der ansonsten nur auffällt, weil er als einziger der Herren keine Krawatte trägt, fordert, dass alle Kandidaten ihre Strafregister offenlegen sollen. Die drei Moderatoren nehmen die Frage auf, es folgt eine Diskussion über Recht und Ehrlichkeit der politischen Klasse. Da wird es schrecklich leise im Saal.

Sieben Kandidaten, vier Beschuldigte - kein schöner Anblick

Alain Juppé ist als Erster dran. Der Bürgermeister von Bordeaux räumt ein, was alle wissen - dass er wegen illegaler Finanztricks seiner Partei vor zwölf Jahren rechtskräftig verurteilt wurde. Er habe damals "Fehler begangen", sagt er, die Franzosen könnten nun "mit ihrem Stimmzettel ihr Urteil fällen".

Als Nächster ist Nicolas Sarkozy dran. Er habe, so betont er, "ein jungfräuliches Strafregister - ich bin nicht vorbestraft". Er sieht sich als Opfer, nicht als Täter. Das halbe Dutzend laufender Affären habe ihn "zum meist abgehörten, zum meist verfolgten, zum meist verhörten Franzosen" gemacht. Letztlich jedoch werde er stets freigesprochen: "Glauben Sie im Ernst, ich hätte mich in den Wahlkampf gestürzt, wenn ich mir etwas vorzuwerfen hätte?" Dass in mindestens zwei Verfahren gegen ihn aktuell ermittelt wird - wegen des Verdachts der Bestechung eines Richters sowie aufgrund der illegalen Finanzierung seines Wahlkampfes 2012 - erwähnt Sarkozy nicht.

Ebenso unschuldig präsentieren sich zwei andere Anwärter. François Fillon bestreitet als "Lüge", was ein hoher Élysée-Beamter und Hollande-Vertrauter ausplauderte - dass er vor zwei Jahren die linke Regierung bedrängt habe, gegen den Konkurrenten Sarkozy ein Strafverfahren einzuleiten. Und Jean-François Copé, der frühere UMP-Parteivorsitzende, sieht sich als "Sündenbock" und "völlig entlastet" in der Affäre um die illegale Finanzierung von Sarkozys Wahlkampf 2012. Er wähnt die Verantwortung ein Pult weiter rechts - bei Sarkozy. Sieben Kandidaten, vier Beschuldigte - kein schöner Anblick. Die drei übrigen Kandidaten mühen sich denn auch angestrengt, während dieser Sendeminuten stramm ins Leere zu starren. Und zu schweigen.

Am Ende lauern die I-Themen: Immigration, Islam, Islamisten

Wirklich lebendig wird die Herrenrunde mit Dame erst gegen Sendeschluss. Da lauern die I-Themen: Immigration, Islam, Islamisten. Schnell beginnt, was Franzosen "la surenchère" nennen: der Wettlauf um vermeintliche Härte, das wechselseitige Bemühen, im Kampf gegen Terror, Migranten und angebliche Überfremdung immer "noch einen draufzulegen".

Neu sind die Vorschläge nicht, manche Idee ist schlicht abgeschrieben aus den Traktaten des Front National. Nicolas Sarkozy will per Volksentscheid den Nachzug von Familienangehörigen von (meist nordafrikanischen) Immigranten stoppen. Nathalie Kosciusko-Morizet, eigentlich eine Liberale, glaubt, sie könne den Salafismus per gesetzlichem Verbot außer Landes schaffen. Jean-François Copé, selbsterklärter Anwalt einer "hemmungslosen Rechten" ("la droite decomplexée") will schnellstens 50 000 Polizisten, Gendarmen und Staatsanwälte rekrutieren, um allen Übeln den Gar auszumachen: Terroristen, Frauen in Burka und Cannabis-Dealer jagt er im selben Atemzug.

Nur Alain Juppé, der Favorit, sowie der äußerste Außenseiter, der bis zu diesem Abend unbekannte Christdemokrat Jean-Frédéric Poisson, stemmen sich gegen den Trend. Beide weisen Sarkozys Idee zurück, künftig ohne klare Beweise und ohne Richter Verdächtige mit Kontakten zu Islamisten präventiv in Lager zu stecken.

Juppé hat das letzte Wort. Der Ex-Premier malt seinen Landsleuten "einen Weg der Hoffnung" aus, auf dass Frankreich wieder "das Land wird, in dem es sich gut leben lässt". Blitzumfragen signalisieren, dass die Debatte im Rennen um die republikanische Spitzenkandidatur wenig verändern wird: Juppé hat die meisten Zuschauer beeindruckt, gefolgt von Sarkozy. Juppés helles Schlusswort von "einem optimistischen Frankreich" kommt offenbar an. Nur, es hatte nichts zu tun mit diesem düsteren Fernsehabend.

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