Türkischer Premier in Berlin:Erdoğan klagt über zu wenig Hilfe bei Syrien-Flüchtlingen

Bereits 700 000 Flüchtlinge aus Syrien habe die Türkei aufgenommen - doch die finanzielle Hilfe der UN reiche nicht aus, kritisiert Premier Erdoğan. Kanzlerin Merkel sichert Unterstützung zu. Weniger einig sind sich Erdoğan und Merkel in der Frage nach der EU-Vollmitgliedschaft der Türkei.

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan beklagt sich angesichts des Flüchtlingsstroms aus Syrien über zu wenig internationale Unterstützung. Sein Land habe für die Aufnahme von 700 000 Bürgerkriegsflüchtlingen umgerechnet 2,5 Milliarden Dollar ausgegeben, von den Vereinten Nationen im Gegenzug aber lediglich 130 Millionen Dollar erhalten, sagte Erdoğan nach einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Berlin.

Gleichzeitig versicherte er, die Türkei werde die Betroffenen auch in Zukunft aufnehmen. Merkel und Erdoğan vereinbarten, dass Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) und die Integrationsbeauftragte Aydan Özoğuz (SPD) in Kürze in die Türkei reisen werden, um Flüchtlingslager zu besuchen.

Merkel sagte, seit dem Jahr 2011 habe Deutschland 28 000 syrische Flüchtlinge aufgenommen. "Das ist verglichen mit der Türkei nicht viel", sagte die Kanzlerin. Allerdings werbe sie in Europa bereits für eine verstärkte Unterstützung, Europa müsse "weitere Schritte gehen".

Die Kanzlerin betonte, dass sie und Erdoğan darüber einig seien, dass die "Entwicklungen in Syrien untragbar sind". Die Türkei leiste einen "Riesenbeitrag" bei der Unterbringung der syrischen Flüchtlinge, lobte Merkel den türkischen Ministerpräsidenten.

Nach Ansicht beider liegt der "Schlüssel im Syrien-Konflikt im UN-Sicherheitsrat". Die Kanzlerin betonte, dass der Kontakt zu Iran gehalten werden müsse. Mit Russland und China müsse ebenfalls weiter gesprochen werden.

Erdoğan fordert von Berlin Hilfe bei EU-Beitrittsprozess

Auch eine mögliche EU-Vollmitgliedschaft der Türkei war Thema der Gespräche zwischen Merkel und Erdoğan. Der türkische Ministerpräsident hatte bereits vor dem Treffen verdeutlicht, dass die Europäische Union auf sein Land angewiesen sei. Nicht nur die Türkei brauche die EU, sondern auch die EU brauche die Türkei, sagte er bei einem Vortrag vor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin.

Die Bundesregierung rief er auf, sein Land auf dem Weg in die EU zu unterstützen. "Wir wünschen uns, dass sich Deutschland noch stärker einsetzt als bisher." Es sei auch Aufgabe der Türkei, die angestoßenen Reformen fortzusetzen. Er erwarte aber ebenso von den "Freunden" in Deutschland, dass sie sich in dem Prozess für die Türkei starkmachten, sagte der Premier.

Kanzlerin Angela Merkel äußerte sich auf die Forderung Ankaras hin nach mehr Unterstützung gewohnt zurückhaltend. Sie sehe die Beitrittsverhandlungen als einen "ergebnisoffenen Prozess", sagte Merkel nach dem Treffen mit dem türkischen Ministerpräsidenten. Der Prozess sei noch nicht abgeschlossen. Gleichzeitig sagte die Kanzlerin, sie stehe einer EU-Vollmitgliedschaft nach wie vor "skeptisch" gegenüber. Das Land ist seit 1999 EU-Beitrittskandidat. Die Verhandlungen laufen seit 2005, kommen aber nur schleppend voran.

Zuletzt hatte das Vorgehen der türkischen Regierung gegen Polizei und Justiz Kritik der EU hervorgerufen. Hunderte Polizisten und Staatsanwälte, die wegen Korruptionsvorwürfen gegen regierungsnahe Kreise ermittelt hatten, waren zwangsversetzt worden. Erdoğan verteidigte das Vorgehen als Schutz vor einem Angriff auf die politische Stabilität seines Landes.

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