In der Türkei hat die regierende Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) einen umstrittenen Entwurf für die Änderung der Verfassung in das Parlament eingebracht, wonach in dem Land ein Präsidialsystem eingeführt werden soll. Für den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan würde das eine massive Ausweitung seiner Macht bedeuten, da ein Großteil der derzeit beim Regierungschef liegenden Befugnisse auf ihn übertragen werden würden.
Nach einem Bericht der Hürriyet Daily News hat der AKP-Fraktionsvorsitzende Mustafa Elitaş den 21 Artikel umfassenden Entwurf bei Parlamentssprecher İsmail Kahraman eingereicht. Insgesamt 316 Abgeordnete von AKP und der ultrarechten Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP) haben das Dokument unterschrieben.
Verfassungsänderung würde Erdoğans Macht massiv ausweiten
Allerdings kommt die von Erdoğan mitgegründete AKP selbst mit ihren Verbündeten im Parlament nicht auf die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit, um die Reform direkt zu verabschieden.
Die AKP will daher gemeinsam mit den MHP-Abgeordneten ein Referendum über die Verfassungsänderung ansetzen. Dafür reichen 330 Stimmen. Nach Angaben von Vize-Regierungschef Nurettin Canikli könnte die Volksbefragung bereits im März stattfinden. Ministerpräsident Binali Yildirim sagte am Freitag, das Präsidialsystem werde der Zeit der instabilen Regierungskoalitionen ein Ende setzen und eine "starke Exekutive" schaffen.
Die Verfassungsänderung würde Präsident Erdoğan zum Chef der Exekutiven machen und ihm unter anderem das Recht geben, Vizepräsidenten, Minister und ranghohe Beamte zu ernennen. Außerdem dürfte er sich offiziell zu seiner Partei bekennen - bislang ist der türkische Präsident zur Neutralität verpflichtet.
Die Opposition lehnt die Pläne ab
Erdoğan verfolgt die Verfassungsänderung mit großer Beharrlichkeit, seitdem er im August 2014 als erster Präsident der Türkei in direkter Wahl an die Staatsspitze gewählt wurde. Seine Gegner befürchten, dass die Reform vor allem der Stärkung seiner persönlichen Macht dient. Der Staatschef in der Türkei hatte bisher eine vorwiegend repräsentative Funktion.
Sowohl die kemalistische Republikanische Volkspartei (CHP) als auch die prokurdische Demokratische Partei der Völker (HDP) lehnen die Pläne für das Präsidialsystem vehement ab. Die HDP-Abgeordnete Meral Danis Bestas warnte, das Präsidialsystem würde das Land "dem Willen einer einzigen Person ausliefern". CHP-Chef Kemal Kilicdaroglu warnte, das Projekt gefährde die "140 Jahre alte parlamentarische Tradition" in der Türkei.
Nach dem aktuellen Entwurf soll die Verfassungsänderung 2019 nach den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in Kraft treten. Einzelheiten wollen die AKP und die MHP bei einer gemeinsamen Pressekonferenz am Abend bekannt geben.