Türkei:Yücel in Haft wegen Terrorpropaganda

Türkei: Seit mehr als neun Monaten in Haft: Deniz Yücel.

Seit mehr als neun Monaten in Haft: Deniz Yücel.

(Foto: Karlheinz Schindler/dpa)

Ein gehacktes Mail-Konto war Grund für die Inhaftierung des Journalisten Deniz Yücel, doch davon ist nun keine Rede mehr.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Ein Interview mit einem Kurdenführer, kritische Bemerkungen über den türkischen Präsidenten und ein bitterer Witz über den Hass zwischen Türken und Kurden - das sind im Wesentlichen die Gründe, warum der Journalist Deniz Yücel immer noch in türkischer Untersuchungshaft sitzt. Das geht aus der 51 Seiten langen Stellungnahme der türkischen Regierung hervor, die beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingereicht wurde. Darin schildert die Regierung zwar, Ausgangspunkt der Ermittlungen gegen Yücel seien Vorwürfe im Zusammenhang mit einem gehackten E-Mail-Konto des türkischen Energieministers gewesen. Als Begründung für die Untersuchungshaft werden allerdings allein Artikel Yücels herangezogen, darunter ein Interview mit Cemil Bayik, einem PKK-Anführer. Die Regierung stuft dies als Terrorpropaganda ein, denn Yücel habe "den Eindruck erweckt, die Terrororganisation PKK sei eine legitime Struktur". Als Aufstachelung zum Hass wird ihm die Verbreitung folgender Anekdote ausgelegt: Ein Türke und ein Kurde, beide zum Tode verurteilt, werden nach ihrem letzten Wunsch gefragt. Der Kurde möchte ein letztes Mal seine Mutter sehen; der Wunsch des Türken ist, dass der Kurde seine Mutter nicht mehr sehen darf. Die türkische Justiz wird mit dem Satz zitiert: "Es ist nicht möglich, diese Artikel als journalistische Aktivitäten oder als geschützt von der Meinungsfreiheit anzusehen." Die Regierung beruft sich auf Artikel 15 der Menschenrechtskonvention, wonach in einem Notstandsfall wie nach dem Putschversuch bestimmte Freiheiten ausgesetzt werden dürften. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Seibert am Donnerstagabend in einem Telefonat mit dem türkischen Präsident Recep Tayyip Erdoğan "noch einmal mit Nachdruck auf die Situation der deutschen Gefangenen in der Türkei hingewiesen"

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