Türkei:Wenn Satire diplomatische Krisen auslöst

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2006 verstörte Sacha Baron Cohen als "Borat" Kasachstan. (Foto: REUTERS)
  • Die Türkei ärgert sich über eine Satire-Sendung des NDR und bestellt den deutschen Botschafter ein.
  • Auch Rudi Carrell, Martin Sonneborn und die taz sorgten mit ihrem speziellen Humor schon für diplomatische Verstimmungen.
  • Leider konnten derartige Krisen nicht immer auf diplomatischem Weg ausgeräumt werden.

Von Hannah Beitzer

Verschleierte Iranerinnen werfen Schlüpfer auf den Ayatollah - total witzig! Das dachte jedenfalls der Entertainer Rudi Carrell im Jahr 1987. Lange vor der "heute show" brachte der Holländer mit seiner satirischen "Tagesshow" die Zuschauer zum Lachen. Im Fall der schlüpferwerfenden Iranerinnen allerdings nicht alle.

In Iran, wo gerade der achte Jahrestag der islamischen Revolution gefeiert wurde, fand man die 14 Sekunden-Bildmontage nämlich gar nicht lustig. Im Vergleich zu der diplomatischen Krise, die auf die "Tagesshow"-Sendung folgte, dürfte der jüngste Ärger der Türkei über den N DR-Spottsong auf Präsident Recep Tayyip Erdoğan kaum mehr als eine kleine Verstimmung sein.

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Nach einem satirischen Lied in der Sendung "extra 3" bestellt das türkische Außenministerium den deutschen Botschafter ein.

Iran verlangte nämlich 1987 eine offizielle Entschuldigung der Bundesregierung, zog seinen Botschafter aus Deutschland ab und verwies deutsche Diplomaten des Landes. Das Goethe-Institut in Teheran musste seine Arbeit einstellen, wütende Iraner protestierten auf den Straßen der Hauptstadt gegen Deutschland, die Fluggesellschaft Iran Air stellte ihre Flüge nach Deutschland ein. Carrell erhielt Morddrohungen, entschuldigte sich beim iranischen Volk - und konnte die nächste Sendung nur unter starken Sicherheitsvorkehrungen aufzeichnen. Die Schlüpfer-Folge, die die Krise ausgelöst hatte, hält das verantwortliche Radio Bremen bis heute unter Verschluss.

Deutsch-polnische Satire-Streitigkeiten

Weniger dramatisch, aber dafür deutlich langlebiger sind die satirischen Kabbeleien zwischen Deutschland und seinem Nachbarland Polen. Von den hierzulande beliebten Polen-Witzen ("Kommen Sie nach Polen - Ihr Auto ist schon da!") sind die Nachbarn naturgemäß wenig begeistert. In den Nullerjahren gab es eine Reihe von Humor-Attacken beider Seiten, die nicht alle lustig fanden.

2003 zeigte das polnische Nachrichtenmagazin Wprost die Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach, als Domina, die in SS-Uniform triumphierend lächelnd auf dem Rücken des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder reitet. Hintergrund war der umstrittene Vorschlag Steinbachs, in Berlin ein Vertriebenen-Zentrum einzurichten. Die CDU, für die Steinbach im Bundestag sitzt, forderte Bundeskanzler Schröder auf, die Polen zur Mäßigung anzuhalten.

Erika Steinbach als SS-Domina auf dem Rücken des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder: Titelbild des Wochenblattes "Wprost" von 2003. Für die Vollansicht auf die Lupe klicken (Foto: Foto: AP)

Doch auch die Polen mussten in der Vergangenheit immer wieder einiges einstecken. Der polnische Botschafter in Berlin beschwerte sich zum Beispiel im Jahr 2006 offiziell über einen Artikel in der Welt. Unter dem Titel " So haben uns die Polen garantiert wieder lieb" schlug die Zeitung unter anderem vor, Autos in Deutschland offen stehen zu lassen. Auch eine Glosse der taz mit dem Titel "Polens neue Kartoffel", in dem der polnische Präsident Lech Kaczynski als "Schurke, der die Welt beherrschen will" veralbert wurde, sorgte für Verärgerung im Nachbarland. Seitdem gab es immer wieder kleinere Karikaturen-Streitigkeiten - doch wenigstens musste keine Botschaft schließen.

Stress mit China

Einen unvergesslichen Auftritt auf der Frankfurter Buchmesse hatte der Satiriker Martin Sonneborn als Reporter der "heute show" im Jahr 2009. Er hatte chinesischen Besuchern regimekritische Sätze in den Mund gelegt, indem er ihre Antworten falsch übersetzt hatte. Chinesische Medien prangerten Sonneborn an - ohne deutlich zu machen, dass es sich nicht um einen normalen journalistischen Beitrag, sondern um Satire gehandelt hatte.

Martin Sonneborn hatte Ärger mit China. (Foto: dpa)

Der Beitrag fiel in eine Zeit, in der sich der Druck auf ausländische Journalisten in China verschärfte. Schließlich entschuldigte sich ZDF-Intendant Markus Schächter beim chinesischen Botschafter für den Beitrag.

"Borat" verärgert Kasachstan

Doch nicht nur deutsche Satiriker sorgen für diplomatische Verstimmungen. "Kulturelle Lernung von Amerika um Benefiz für glorreiche Nation von Kasachstan zu machen" lautet zum Beispiel der Titel eines US-amerikanischen Films, der den kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew im Jahr 2006 verärgerte. Der Komiker Sacha Baron Cohen spielt darin den trotteligen kasachischen Reporter Borat, der sich auf eine Reise durch die USA macht.

Der trottelige Reporter "Borat". (Foto: REUTERS)

Kasachstan wird in der Satire von Sacha Baron Cohen als rückständiges, archaisches Land voller Waffenhändler und Sexisten dargestellt. Darüber beschwerte sich Nasarbajew beim damaligen US-Präsidenten George W. Bush. Das kasachische Außenministerium drohte mit einer Klage aufgrund der "herabsetzenden Darstellung" des Landes und startete eine Image-Kampagne mit eigenem Film und einer vierseitigen Großanzeige in der New York Times.

Mohammed-Karikaturen führen zu Ausschreitungen

Über all diese Vewerfungen lässt sich im Nachhinein lachen. Anders war das während des "Karikaturen-Streits" im Jahr 2005. Die dänische Zeitung Jyllands-Posten hatte zwölf Karikaturen des Propheten Mohammed veröffentlicht, die mehrere Medien nachdruckten. Auf die Zeichnungen folgten in mehreren islamisch geprägten Ländern Ausschreitungen. Gewalttätige Demonstranten attackierten dänische Botschaften und die Vertretungen anderer europäischer Länder und Organisationen. Die Zeichner der Karikaturen erhielten Morddrohungen, einer davon entkam später nur knapp einem Attentat.

Gewalttätige Demonstranten in Pakistan verbrennen britische, dänische und EU-Flaggen. (Foto: Reuters)

Die Botschafter von elf islamisch geprägten Staaten baten den dänischen Ministerpräsidenten Anders Fogh Rassmussen zu einem Treffen, das dieser ablehnte. Libyen schloss seine Botschaft in Dänemark, Saudi-Arabien zog seinen Botschafter ab. Die dänische Regierung weigerte sich mit Verweis auf die Presse- und Meinungsfreiheit, sich zu entschuldigen - geschweige denn, die Urheber der Zeichnungen zu bestrafen.

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