Türkei:Was heißt schon normal?

Gut möglich, dass das Ende des Notstands Entspannung bringt. Dass nun aber alles gut wird, danach sieht es nicht aus.

Von Luisa Seeling

Endlich eine gute Nachricht aus der Türkei: Die Regierung will den Ausnahmezustand beenden, nach zwei Jahren und sieben Verlängerungen. Wie eine bleierne Decke hat er auf dem Land gelegen, hat jede unerwünschte Regung der Zivilgesellschaft erstickt. Dabei ist der Notstand anfangs eine legitime Maßnahme gewesen, schließlich musste die Regierung in der Putschnacht einen existenziellen Angriff abwehren. Schon bald aber ging es vor allem darum, Andersdenkende zu verfolgen. Dem Land und seinem Ansehen hat das sehr geschadet.

Es hat vor allem wirtschaftliche Gründe, dass Recep Tayyip Erdoğan, der frisch im Amt bestätigte Präsident, nun zum Normalzustand zurückkehren will: Das türkische Chaos hat Investoren verschreckt, sie sollen zurückgelockt werden. Aber was heißt Normalzustand? Erdoğan hat die Türkei in den vergangenen zwei Jahren umgekrempelt. Er hat ihr ein politisches System verpasst, das ganz auf ihn zugeschnitten ist. Die Opposition spricht von der "Verlängerung des Ausnahmezustands mit anderen Mitteln". Gerade erst hat Erdoğan weitere Dekrete verabschiedet, die ihm neue Befugnisse sichern.

Gut möglich, dass das Ende des Notstands eine relative Entspannung bringt; dass nun aber alles gut wird, dass die bleierne Decke vollständig gelüftet wird, danach sieht es nicht aus.

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