Parlamentswahl in der Türkei:Erdogan gegen den Rest

Dass die regierende AKP mit ihrem Chef Erdogan bei der türkischen Parlamentswahl erneut triumphieren wird, gilt als sicher. Doch welche anderen Parteien werden die Zukunft der Türkei mitbestimmen? Die aussichtsreichsten Kandidaten im Überblick.

Die AKP wurde 2001 als konservative Reformpartei vom heutigen Premier Tayyip Erdogan und dem heutigen Staatspräsidenten Abdullah Gül gegründet. Anders als von ihren Gegnern behauptet, ist ihr Hauptmerkmal nicht der Islam, sondern eine äußerst unternehmerfreundliche Wirtschaftspolitik, die der Türkei - oft auf Kosten der Umwelt - ein Wirtschaftswunder bescherte.

A woman walks past Turkish Prime Minister Tayyip Erdogan's election campaign posters in Istanbul

"Die Türkei ist bereit, das Ziel ist 2023" heißt es auf Wahlkampfplakaten der regierenden AKP, auf denen Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan mit Blick Richtung Himmel abgebildet ist.

(Foto: REUTERS)

Auch türkische Christen und Kurden erhielten mehr Freiheiten. Zuletzt zeigte Erdogan jedoch zunehmend nationalistische und autoritäre Züge. Er hat mehrfach angedeutet, er wolle ein Präsidialsystem. Sein Ziel ist es wohl, selbst der erste vom Volk gewählte Präsident der Türkei zu werden, nachdem er die Direktwahl durchgesetzt hat. Bei der Parlamentswahl 2007 bekam die AKP 46,6 Prozent der Stimmen.

Die Volkspartei CHP

Die von Staatsgründer Atatürk geprägte Republikanischen Volkspartei CHP war einst die treibende Kraft der Modernisierung in der Türkei. Unter ihrem langjährigen Chef Deniz Baykal spielte sie in den letzten Jahren eine gegenteilige Rolle: Als Sammelbecken staatsnaher Eliten pflegte sie die Rhetorik gegen Europa und gegen mehr Minderheitenrechte.

Leader of Turkey's main opposition Republican People's Party Kilicdaoglu addresses his supporters during an election rally in Istanbul

Der Chef der CHP, Kemal Kilicdaroglu, bei einem Wahlkampf in Istanbul. Bei der letzten Wahl 2007 erhielt die CHP 20,9 Prozent.

(Foto: REUTERS)

Ihr neuer Chef, Kemal Kilicdaroglu, selbst Kurde, schlägt liberalere Töne an. Doch sendet er widersprüchliche Signale aus. Zur Wahl ließ er- gegen den Widerstand vieler Mitglieder - auch rechtsnationalistische Angeklagte aus dem Ergenekon-Verfahren zu, in dem mehrere Ex-Militärs wegen angeblicher Putschpläne vor Gericht stehen. 2007 erhielt die CHP 20,9 Prozent.

Die Partei der Nationalen Bewegung

MHP leader Devlet Bahceli hands out carnations during an election rally in Ankara

Bei Gegnern für sein Engagement beliebt: MHP-Chef Devlet Bahceli. Er will das rechte Image seiner Partei ändern.

(Foto: REUTERS)

Die Partei der Nationalen Bewegung MHP ist die Partei der rechtsextremen Grauen Wölfe. Gegründet wurde sie 1969 vom Putschoberst Alparslan Türkes. Sie ist Heimat ultranationalistischer Positionen und hat viele Anhänger unter jungen Männern mit wenig Bildung. 2007 erhielt sie 14,3 Prozent.

Parteichef Devlet Bahceli versucht seit Jahren, das Image der MHP als Partei rechter Schläger zu ändern. Auch Gegner loben ihn dafür, dass er die früher oft gewalttätige Parteijugend von den Straßen holte. Ein Skandal um Sexvideos hat die MHP-Spitze im letzten Monat aber praktisch enthauptet. Bleibt sie unter der Zehn-Prozent-Hürde, könnte es für die AKP zur verfassungsändernden Zwei-Drittel-Mehrheit reichen.

Die BDP

Die Partei des Friedens und der Demokratie BDP ist die jüngste Wiedergeburt der linken Kurdenpartei, die alle paar Jahre verboten wird - zuletzt 2008 - und dann unter neuem Namen wieder aufersteht. Zum Verhängnis wird ihr jedes Mal ihre Nähe zur militanten PKK. Die BDP betont ihren friedlichen Charakter und bietet sich der Regierung auch als Vermittler zur PKK an, bislang ohne Erfolg.

Sie stellt die Bürgermeister in den meisten Städten des kurdischen Südostens und hat als einzige Partei eine Frauenquote (40 Prozent). Die BDP schickt ihre Kandidaten als Unabhängige ins Rennen, weil sie keine Chance hat, über die Zehn-Prozent-Hürde zu kommen - tatsächlich ist die Kurdenpartei der Grund für die Existenz dieser hohen Hürde. 2007 konnte sie zwei Dutzend Unabhängige ins Parlament bringen.

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