USA und Türkei:"Mein lieber Freund"

  • Der türkische Präsident Erdoğan ist zu Besuch in Washington bei seinem Amtskollegen Trump.
  • In einer Pressekonferenz nach dem 20-minütigen Treffen betonen beide die gute Zusammenarbeit.
  • Themen wie die Bewaffnung kurdischer Kämpfer im Syrien-Konflikt werden nicht angesprochen.

Von Mike Szymanski, Istanbul

Die Erwartungen waren gigantisch: Im türkischen Fernsehen sollte Präsident Recep Tayyip Erdoğan am Dienstag nicht einfach in Washington mit Donald Trump zusammentreffen. Die Rede war von einem "historischen Gipfel". Historisch? Das war in jedem Fall richtig, denn es war das erste Mal , dass Trump Erdoğan persönlich empfing. Gipfel? Etwas mehr als 20 Minuten hat sich Trump aus dem Kalender für Erdoğan freigeschlagen. Aber man weiß ja vorher nie, wie sich solche Begegnungen entwickeln, gerade bei diesen beiden Herren. Protokollmäßig, muss man hinterher sagen. Auch wenn Trump zur Begrüßung sagte, es liege ein langes, schwieriges Gespräch vor ihnen, erscheinen sie pünktlich zur Pressekonferenz.

20 Minuten. Was wollte Erdoğan in dieser Zeit nicht alles geklärt haben. Und dann spricht Trump und macht den großen Bogen. Lobt die Rolle der Türkei im Kalten Krieg, die "Säule im Kampf gegen den Kommunismus", den "legendären Mut" der Türken. "So true!" Trump redet und redet. Drei Minuten lang, aber er verliert kein Wort über die Themen, die Erdoğan so wichtig sind. Keines darüber, warum Trump die Schlacht gegen die Terroristen des Islamischen Staates (IS) weiter mit Hilfe kurdischer Kämpfer führt, die der Terrororganisation PKK nahestehen. Wenige Tage vor diesem Treffen beschloss Washington, die kurdischen Kämpfer mit schweren Waffen und Munition auszustatten. Aber Trump erzählt am Dienstag nur, dass die Türken auch militärische Ausrüstung wollten. "Wir haben sichergestellt, dass sie schnell geliefert wird." Ist es das? Löst Trump so Konflikte: Dann bekommt der andere, der sich beschwert, eben auch Waffen? Wäre eine Frage wert. Aber die ist nicht zugelassen.

Dann hat Erdoğan das Wort. "Mein lieber Freund", beginnt er. Er redet nicht so hemmungslos an den Problemen vorbei wie Trump. Er flüchtet sich ins Vage. Er sagt Sätze, die auch Trump unterschreiben kann. "Terrororganisationen haben keinen Platz in der Zukunft unserer Region." Er könnte konkreter werden. Aber dann wäre wohl klar, wer hier an wem scheitert. Was den Prediger Fethullah Gülen angeht, habe er seine Erwartungen "offen kommuniziert", sagt Erdoğan hinterher. Die USA sollen den Mann ausliefern, den er hinter dem versuchten Putsch sieht. Washington bezieht zu dem Fall bisher nicht Position.

Kriegsparteien in Syrien und Irak

Als Trump Präsident wurde, war dies für Erdoğan erst eine gute Nachricht. Mit ihm wollte er einen Neuanfang im Verhältnis wagen. Er scheint es jetzt noch zu wollen: "Die neue Zeit, für die wir heute den Grundstein gelegt haben, soll Glück bringen." Unter Trumps Vorgänger ging zuletzt nichts mehr voran. Obama ließ sich nicht von Erdoğans Argument überzeugen, dass man Terrorgruppen nicht mit Terrorgruppen bekämpfen dürfe. Trumps Auftritt erweckt den Eindruck: Er stellt sich taub.

Erdoğan sagte vor der Ankunft zu den Waffenlieferungen an kurdische Kämpfer: "Das sind nicht irgendwelche Waffen." Die USA, so seine Lesart, richteten sich damit gegen ihren Partner Türkei. Die von den USA angeführte internationale Allianz gegen den IS will dessen Hochburg Raqqa erobern. Erdoğan hat Hilfe angeboten. Aber Trump zieht nicht mit. Als US-Außenminister Rex Tillerson im März in Ankara war, stellte er Washingtons Priorität klar: den IS überall zu besiegen, wo er sich zeige.

Die Türkei dagegen verfolgt noch ein Ziel: Sie will ein autonomes kurdisches Gebiet in Nordsyrien verhindern. Aber genau darauf arbeiteten die kurdischen Kämpfer hin - mit Unterstützung der USA. So tief gehen die Ängste. Freund oder Feind? Das war die Frage, mit der Erdoğan Trump konfrontieren wollte. Die Zeitung Milliyet druckte eine Karikatur: Ein runder Tisch, zwei leere Stühle, die US-Flagge und die der Türken. Und: zwei Eisenfäuste auf dem Tisch. Nach dem Treffen lässt sich festhalten: Die Eisenfäuste hätte der Zeichner weglassen können.

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