Türkei:Türkische Staatsanwaltschaft fordert Aufhebung von U-Haft für Steudtner

  • In Istanbul hat der Prozess gegen den deutschen Menschenrechtler Peter Steudtner begonnen.
  • Ihm wird Unterstützung einer bewaffneten Terrororganisation vorgeworfen.
  • Die Staatsanwaltschaft fordert die Aufhebung der U-Haft.

Von Christiane Schlötzer

Im Prozess gegen den Deutschen Peter Steudtner hat der türkische Staatsanwalt am Mittwochabend die Aufhebung der Untersuchungshaft gefordert. Ob das Gericht in Istanbul dem folgt, war am Mittwochabend zunächst noch offen. Auch für den schwedischen IT-Spezialisten Ali Gharavi und die meisten der neun mitangeklagten türkischen Menschenrechtler verlangte Staatsanwalt Selahattin Kanbur überraschend ein Ende der U-Haft. Im Gerichtssaal gab es Jubel.

Der Prozess hatte am Mittwochmorgen begonnen, nach 100 Tagen Untersuchungshaft für Steudtner und unter großer internationaler Aufmerksamkeit. Den Angeklagten, darunter die Spitze von Amnesty International in der Türkei, wird die Unterstützung einer bewaffneten Terrororganisation vorgeworfen. Dafür drohen für gewöhnlich lange Haftstrafen.

Steudtner sprach auf Englisch vor Gericht, seine Aussagen wurden ins Türkische übersetzt. Der 45-Jährige wies alle Vorwürfe zurück und sagte: "Ich habe nie in meinem Leben irgendeine militante oder terroristische Organisation unterstützt." Er sei gegen jede Art von Gewalt, habe auch keinen Wehrdienst geleistet. Fast alle Angeklagten waren am 5. Juli auf einer Insel vor Istanbul bei einem Seminar festgenommen worden. In der Anklage wird der Workshop, bei dem es um IT-Sicherheit und Stressabbau ging, zum "Geheimtreffen" mit dem Ziel des Umsturzes erklärt.

Steudtner sagte, er habe an dem Seminar nur als Trainer teilgenommen, weil ein Kollege ausgefallen sei. In den vergangenen Jahren habe er vor allem in Afrika gearbeitet. Auch die angeklagte türkische Amnesty-Mitgründerin Özlem Dalkıran sagte in der Verhandlung, das Treffen sei alles andere als geheim gewesen. Es habe in einem Hotel stattgefunden, in dem jeder seine Personalien angeben musste. Der Vorsitzende Richter Adem Aygün fragte immer wieder nach der Finanzierung des Seminars. Die Angeklagten sagten, das Geld hätten NGOs aufgebracht.

Der Prozess gilt als Testfall für die türkische Justiz und für den Zustand der deutsch-türkischen Beziehungen. Nach Steudtners Verhaftung hatte die Bundesregierung ihre Reisehinweise für die Türkei verschärft. "Das Entscheidende ist, dass das Verfahren rechtsstaatlich, zügig und konkret ist und eben kein politisches Verfahren wird", sagte die Menschenrechtsbeauftragte der Regierung, Bärbel Kofler (SPD), am Mittwoch im SWR. Nach türkischen Maßstäben wurde Steudtner ziemlich rasch vor Gericht gestellt. Der deutsch-türkische Journalist Deniz Yücel befindet sich bereits seit mehr als 250 Tagen ohne Anklage in Haft. Die Eile im Fall Steudtner hatte bei deutschen Diplomaten Hoffnungen auf ein Ende der Untersuchungshaft genährt. Danach könnte Steudtner rasch abgeschoben werden, wie sein Anwalt Murat Deha Boduroğlu erwartet. Er nannte die Anklage "rechtswidrig" und wirr.

Auch der Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland, Markus Beeko, der den Prozess in Istanbul verfolgte, hatte die Vorwürfe als "absurd" bezeichnet.

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