Türkei:Straßburg billigt Kopftuchverbot an Universitäten

Kemal Atatürk, der Gründer des modernen türkischen Staates, hatte das Kopftuchverbot einst zur Gleichberechtigung von Mann und Frau eingeführt. Nun hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Klage einer jungen Türkin abgewiesen, die ihr Recht auf den Schleier durchsetzen wollte.

Das Kopftuchverbot an türkischen Universitäten bleibt bestehen. Dies hat die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte am Donnerstag in Straßburg entschieden.

Kopftuchverbot, dpa

Nicht jede türkische Frau fühlt sich durch das Kopftuch diskriminiert.

(Foto: Foto: dpa)

Das Verbot verstoße nicht gegen die Grundrechte auf Bildung und Religionsfreiheit. Das Gericht wies damit die Klage einer 32-jährigen Medizinstudentin zurück. Diese war 1998 von Vorlesungen und Prüfungen an der Universität Istanbul ausgeschlossen worden, weil sie sich geweigert hatte, dort das Kopftuch abzulegen.

Schon die Kleine Kammer des Gerichts hatte 2004 ihre Klage nicht bestätigt. Das Urteil vom Donnerstag ist rechtskräftig und dürfte dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan missfallen. Erdogan und seine AKP-Partei hatten versprochen, das Kopftuchverbot abzuschaffen.

Religiosität versus öffentliche Ordnung

Die Straßburger Richter beriefen sich in ihrer Entscheidung auf den Schutz von Demokratie und Pluralismus sowie auf die Gleichberechtigung der Geschlechter. Dennoch räumten die Richter in ihrer Urteils-Begründung ein, dass die Klägerin durch das Verbot daran gehindert wurde, ihre Religiosität zu zeigen und an Vorlesungen teilzunehmen.

Die türkische Gesetzgebung verfolge aber das höher zu wertende Ziel, die Rechte und Freiheiten Dritter sowie die öffentliche Ordnung zu schützen. Außerdem sei diese Regelung nicht neu gewesen. Die Klägerin hätte bereits vor ihrer Einschreibung wissen müssen, dass das Tragen religiöser Symbole an Hochschulen verboten ist.

Die Frau wechselte 1999 an die Universität Wien. Die Straßburger Richter bezeichneten das Kopftuchverbot als verfassungskonform. Es hindere den türkischen Staat daran, eine bestimmte Religion zu bevorzugen und sorge damit für Religions- und Gewissensfreiheit.

Da durch das Kopftuchverbot niemand seinen Glauben öffentlich zur Schau stellen dürfe, würden zudem Anders- oder Ungläubige vor Repressionen durch den Staat oder durch religiöse Fundamentalisten geschützt.

Ministerpräsident Erdogan konnte das Kopftuchverbot noch nicht abschaffen, weil das Gesetz mächtige Befürworter wie die Armee oder Staatspräsident Ahmet Necdet Sezer hat. Sie berufen sich im Namen des türkischen Staatsgründers Atatürk auf die säkularen Errungenschaften der Republik.

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