Türkei:Prozess gegen Deniz Yücel geht weiter

An diesem Donnerstag wird in Istanbul der Prozess gegen den früheren Korrespondenten der Tageszeitung "Die Welt" fortgesetzt - der deutsch-türkische Journalist wird aber nicht anreisen.

Von Christiane Schlötzer, Istanbul

Am Donnerstag wird in Istanbul der Prozess gegen Deniz Yücel fortgesetzt, den früheren Türkei-Korrespondenten der Welt. Die Staatsanwaltschaft fordert 18 Jahre Haft. Der deutsch-türkische Journalist wird aber nicht in die Türkei reisen, wie sein Anwalt Veysel Ok der Süddeutschen Zeitung mitteilte. Yücel, 44, hat schon ein Jahr im Gefängnis von Silivri verbracht. Am 16. Februar hob ein Gericht die Untersuchungshaft auf, Yücel reiste noch am selben Tag aus. Allerdings hatte das 32. Gericht für schwere Straftaten die Anklage angenommen, nun findet das Verfahren statt. In der Anklageschrift, die nur drei Seiten lang ist, wird Yücel "Propaganda für eine Terrororganisation" und "Aufstachelung zu Hass und Feindseligkeit" vorgeworfen - in acht Welt-Artikeln, die zwischen 19. Juni und 12. Dezember 2016 erschienen sind. Bei den Terrororganisationen handelt es sich laut Anklage um die verbotene kurdische PKK und die Bewegung des Predigers Fethullah Gülen, die von der Regierung für den Putschversuch im Juli 2016 verantwortlich gemacht wird. Als Beweismittel sollen auch Telefondaten dienen. Sie zeigten, so die Anklage, dass Yücel mit PKK-nahen Personen telefoniert habe. Reporter ohne Grenzen (ROG) nannte den Prozess "eine Farce", wie viele andere gegen Journalisten in der Türkei. "Alles andere als ein Freispruch wäre unerträglich", sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr.

Am Mittwoch hat überraschend ein anderes Gericht in Istanbul entschieden, dass der prominente türkische Journalist und Wirtschaftswissenschaftler Mehmet Altan, 65, freigelassen werden muss. Altan, 65, war im Februar - wie sein Bruder, der Schriftsteller Ahmet Altan - als "Terrorist" zu erschwerter lebenslanger Haft verurteilt worden. Dies hatte großes internationales Aufsehen erregt.

Für Empörung sorgte am Mittwoch eine ganzseitige Zeitungsanzeige des Chefs der ultrarechten Partei MHP, Devlet Bahçeli, des neuen Partners von Recep Tayyip Erdoğan. Darin werden 70 Personen, überwiegend Journalisten, namentlich als "Verleumder" bezeichnet, die man "nicht vergessen" werde. Sogar AKP-nahe Kommentatoren sind dabei. Viele der Genannten sagten, dies sei "einmalig in der türkischen Politik". Das International Press Institute zeigte sich tief besorgt über diese "Medien-Hass-Liste".

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