Türkei:Polizei-Führung abgesetzt

Die türkische Regierung zieht Konsequenzen aus dem Terroranschlag mit fast 100 Toten in Ankara. Sie suspendiert Mitglieder der Polizei-Führung, umstrittene Minister aber bleiben.

Von Luisa Seeling

Nach dem Terroranschlag in Ankara, bei dem am Samstag fast 100 Menschen starben, hat die türkische Regierung den Polizeichef der Hauptstadt abgesetzt. Auch die Leiter der Sicherheits- und der Geheimdienstabteilung der Polizei in Ankara seien suspendiert worden, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu am Mittwoch. Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan hatte am Dienstagabend eingeräumt: "Es hat wohl bestimmt irgendwo einen Fehler, ein Versäumnis gegeben." Das Ausmaß soll nun durch den Staatskontrollrat untersucht werden, der dem Präsidenten untersteht. Rücktrittsforderungen an Minister wegen der Bluttat wies Erdoğan zurück. Kritiker hatten den Behörden Versagen vorgeworfen. Der Chef der Oppositionspartei CHP, Kemal Kılıçdaroğlu, hatte gefordert, der Innen- und der Justizminister sollten zurücktreten.

In den vergangenen Tagen haben sich die Ermittlungen der Behörden vor allem auf die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) konzentriert. Nach offiziellen Angaben wurde das Attentat von zwei Selbstmordattentätern verübt. Laut der Zeitung Hürriyet ist einer der beiden inzwischen als IS-Anhänger aus dem osttürkischen Adıyaman identifiziert worden. Er war demnach beim IS in Syrien im Bombenbau ausgebildet worden und kehrte anschließend in die Türkei zurück. Dort habe sich seine Spur verloren.

Aus Adıyaman stammte auch jener Attentäter, der sich im Juli in der Stadt Suruç an der Grenze zu Syrien in die Luft sprengte und mehr als 30 Menschen tötete. Der Bruder dieses Mannes könnte laut Presseberichten nun einer der Täter von Ankara gewesen sein. Die Identifizierung der mutmaßlichen Täter wurde von offizieller Seite zunächst nicht bestätigt. Seit dem Anschlag hat die Polizei landesweit nach Medienberichten Dutzende mutmaßliche IS-Anhänger festgenommen. Die Terror-Organisation hat sich weder zu dem Attentat in Ankara noch zu dem Bombenanschlag in Suruç bekannt. Bei beiden Anschlägen sind vor allem Kurden und linke Aktivisten ums Leben gekommen.

Regierungskreisen zufolge hat die türkische Polizei außerdem zwei Personen festgenommen, die der PKK nahestehen sollen. Wie türkische Medien berichteten, hätten die Verdächtigen einen Tag vor dem Attentat Tweets abgesetzt, die nahelegten, dass es einen Anschlag in der türkischen Hauptstadt geben könnte. "Die Bombe wird in Ankara explodieren", hieß es in einem der Tweets. Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu sagte am Mittwoch, sowohl der IS als auch die PKK hätten möglicherweise eine "aktive Rolle" bei dem Attentat gespielt. Beobachter halten eine Zusammenarbeit von IS und PKK allerdings für abwegig. Die Organisationen sind verfeindet. Der syrische Ableger der PKK, die Kurdenpartei PYD, kämpft im Nachbarland gegen den IS.

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