Türkei:Mafiaboss droht Medien

Der türkische Mafiaboss Alaattin Çakıcı sitzt wegen Auftragsmorden eine lange Haftstrafe ab. Das hindert ihn nicht daran, aus dem Gefängnis heraus Journalisten zu drohen, die jetzt von der Polizei geschützt werden müssen.

Von Christiane Schlötzer, Istanbul

Er habe seine Opfer "immer im Voraus" informiert, ließ der türkische Mafia-Boss Alaattin Çakıcı aus der Haft heraus in einem offenen Brief den Besitzer einer türkischen Zeitung und sechs namentlich genannte Journalisten wissen. Er fügte hinzu, dies sei ein Aufruf "an alle, die mich lieben. Tut eure Pflicht". Das wurde als Todesdrohung verstanden. Die Journalisten, die alle für das eher konservative Blatt Karar arbeiten, bekamen Polizeischutz. Çakıcıs Anwalt erklärte dann noch, die Aufforderung sei "für drei Monate" ausgesetzt, wenn die Journalisten so lange "keinen Fehler" machten, werde dies "für immer gelten".

Die Empörung über diese Unverfrorenheit ist groß. Türkische Journalisten, die schon so viel ertragen mussten, stünden nun unter zusätzlichem Druck, schrieb der Chefredakteur der Hürriyet Daily News, Murat Yetkin. Karar gehört zu den Medien, die mit sich mit Nachdruck gegen eine Amnestie für Çakıcı wandten. Der ist wegen mehrerer Auftragsmorde zu langer Haft verurteilt. Die Amnestie hatte der Chef der ultrarechten Partei MHP, Devlet Bahçeli, vorgeschlagen. Die MHP hat sich vor der Parlaments- und Präsidentenwahl mit Recep Tayyip Erdoğans AKP verbündet und wird von dieser nun als Bündnispartner gebraucht. Bahçeli hatte Çakıcı vor den Wahlen auch in einer Klinik besucht, wo sich der 65-Jährige derzeit befindet.

Zwei Tage nach den Wahlen hatte Bahçeli in einer ganzseitigen Zeitungsanzeige, die in mehrere großen Zeitungen erschien, selbst 59 Journalisten namentlich als "Verleumder" denunziert, die man "nicht vergessen" werde. Auch diese "schwarze Liste" hatte heftige Kritik bei türkischen und internationalen Journalistenorganisationen ausgelöst. Sie verlangten, für diese Journalisten ebenfalls Schutzmaßnahmen zu ergreifen.

Neue Spannung hat auch die noch amtierende Regierung ausgelöst. Innenminister Süyleman Soylu hatte von den Provinzgouverneuren verlangt, Politiker der CHP, der größten Oppositionspartei, von Begräbnissen für "Märtyrer", von der kurdischen PKK getötete Soldaten, auszuschließen. Damit rückte der Minister die CHP in die Nähe von Terroristen. CHP-Chef Kemal Kılıçdaroğlu sagte, Soylu bereite "den Weg für einen Bürgerkrieg und für Chaos".

In Ankara wurde der Ex-CHP-Abgeordnete Eren Erdem unter der Beschuldigung verhaftet, er sei ein Terrorhelfer. Erdem war früher Chefredakteur der Zeitung Karşı. Er ist auch Autor eines viel verkauften Buches über "islamische Kapitalisten", die Neureichen der AKP. csc

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