Türkei:"Küste des Todes"

Flüchtlinge

Trotz schlechten Wetters erreichten in den ersten Tagen des Jahres täglich 2000 Menschen griechische Inseln.

(Foto: Santi Palacios/AP)

Mehr als 36 Menschen sind auf der Flucht in der Ägäis ertrunken. Überlebende erheben schwere Vorwürfe gegen Griechenland.

Von Mike Szymanski, Istanbul

Nach dem jüngsten Flüchtlingsunglück in der Ägäis, bei dem am Dienstag mindestens 36 Menschen umgekommen sind, erheben Überlebende schwere Vorwürfe. Die türkische Zeitung Hürriyet berichtet, zwölf gerettete Flüchtlinge hätten angegeben, von der griechischen Küstenwache trotz unruhiger See zur Umkehr gezwungen worden zu sein. Am Abend teilte die griechische Küstenwache mit, dass die Vorwürfe jeglicher Grundlage entbehrten. In türkischen Gewässern seien sie schließlich gekentert. Dutzende Leichen sind an der westtürkischen Küste in Ayvalık und Dikili ans Ufer gespült worden, darunter viele Kinder und eine Schwangere. Die Behörden gehen davon aus, dass es sich bei den Menschen um irakische, algerische und syrische Staatsangehörige handelt.

Griechenland wirft der Türkei vor, nicht hart genug gegen Schleuser vorzugehen. Die griechischen Inseln sind seit Monaten mit der hohen Zahl an Flüchtlingen überfordert. Die Türkei hatte mit der EU vereinbart, ihre Grenze besser zu schützen. Zwar geht die Zahl der Flüchtlinge, die in Griechenland ankommen, zurück. Doch obwohl schlechteres Wetter die Flucht erschwert, erreichten in den ersten Tagen des Jahres im Schnitt immer noch 2000 Geflüchtete täglich die Inseln. Suat Salgin, Lokaljournalist, sagte der SZ über die Lage an der türkischen Küste: "Am Strand von Ayvalık waren elf Leichen. Auch eine schwangere Frau ist ums Leben gekommen. Darüber zu berichten, sei eine Qual für ihn. Die Zeitung Cumhuriyet schrieb von einer "Küste des Todes", die Hürriyet empörte sich: "Die Welt schaut zu." Die türkische Küstenwache erklärte, dass am Dienstagmorgen gegen acht Uhr die Meldung über angespülte Leichen bei ihr eingegangen sei. Daraufhin wurden drei Küstenwachboote und ein Hubschrauber in die Gegend geschickt, um nach Überlebenden zu suchen. Zwölf Menschen konnten gerettet werden. Offenbar waren zwei Flüchtlingsboote gekentert, die die Insel Lesbos als Ziel hatten.

Die Polizei hat mehr als 1200 nicht funktionsfähige Schwimmwesten beschlagnahmt

Seit Anfang 2015 läuft bei der türkischen Küstenwache die Operation "Aegean Hope", um Schleusern das Handwerk zu legen und Flüchtlinge vor dem Ertrinken zu retten. Fast die Hälfte ihrer Schiffe und 1200 Männer und Frauen hat sie entlang der Hunderte Kilometer langen Küste im Einsatz. An Land hat die Polizei ihre Patrouillen ebenfalls verstärkt.

Bei einer Razzia in Izmir hat die Polizei am Mittwoch mehr als 1200 Billig-Schwimmwesten beschlagnahmt, die für Flüchtlinge bei ihrer Flucht über das Ägäische Meer nach Griechenland bestimmt waren. Der von der Polizei durchsuchte Betrieb in Izmir hat die Rettungswesten illegal hergestellt. In den Küstenstädten wird reger Handel mit Ausrüstung für die Flucht getrieben. Auch bei dem Unglück am Dienstag haben viele Flüchtlinge offenbar nicht funktionsfähige Rettungswesten getragen.

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