Türkei:Kind soll Attentat verübt haben

51 Menschen sterben bei einem Selbstmordanschlag. Präsident Erdoğan macht die Terrormiliz IS verantwortlich.

Von M. Szymanski, Istanbul

In der Nacht zum Sonntag ist es in der Türkei erneut zu einem Selbstmordanschlag gekommen: In Gaziantep in der Grenzregion zu Syrien starben 51 Menschen. Bei einer Hochzeitsfeier hatte sich ein Attentäter in die Luft gesprengt. Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan machte am Sonntag die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) verantwortlich. Der Attentäter sei ein Kind im Alter von 12 bis 14 Jahren gewesen, sagte er.

Seit einem Jahr ist die Türkei verstärkt Ziel von Attentaten des IS, der in Syrien große Gebiete kontrolliert. Premier Binali Yıldırım sagte, die Instabilität in Syrien bedrohe die Türkei. Er bemängelte, dass die internationale Staatengemeinschaft nicht entschlossen genug Lösungen suche. Die Türkei sei mit einer mehr als 900 Kilometer langen Grenze zu Syrien direkt betroffen. Yıldırım kündigte am Samstag in Istanbul an, sein Land werde im nächsten halben Jahr bei der Suche nach einer Lösung für das Bürgerkriegsland aktiver werden. Das Blutvergießen müsse gestoppt werden. Yıldırım verurteilte den Anschlag: "Egal, wie diese verräterische Terrororganisation genannt wird, wir als Volk, als Staat und als Regierung werden unseren Kampf gegen sie fortsetzen", sagte er.

Ankara ist nun auch bereit, Syriens Gewaltherrscher Baschar al-Assad zumindest für eine Übergangszeit an der Spitze zu akzeptieren. Yıldırım sagte, ob "es gefalle oder nicht", Assad sei derzeit einer der politischen Akteure. Mit der außenpolitischen Kurskorrektur versucht die Türkei, Spielräume in ihrer Syrien-Politik zurückzuerlangen. Jahrelang verfolgte sie das Ziel, Assad zu stürzen, und unterstütze Extremistengruppen in Syrien. Dies änderte sich erst, als die Gewalt türkischen Boden erreichte. Das Beharren auf Assads Ablösung als Bedingung für Friedensverhandlungen hat eine Konfliktlösung auf internationaler Ebene erschwert. Nachdem die Türkei im November einen russischen Kampfjet im türkisch-syrischen Grenzgebiet abgeschossen hatte und so eine schwere Krise mit Moskau auslöste, vermied Ankara, militärisch stärker in Syrien vorzugehen. Anfang August beendeten Ankara und Moskau den Streit.

Das Verhältnis zu den westlichen Partnern ist dagegen angespannt. Nach Wochen von Zwist und Drohungen ist der türkische Premier aber um Entspannung im Verhältnis zu Berlin bemüht. Er sagte: "Die Türkei hat keine schwerwiegenden Probleme mit Deutschland." Nach dem Putschversuch vom 15. Juli hatte das beiderseitige Verhältnis einen Tiefpunkt erreicht. Die Türkei wirft unter anderem Deutschland vor, nicht klar genug an ihrer Seite gestanden zu haben. Die Vorfälle der jüngeren Zeit könnten die tiefe Beziehung der Länder nicht beschädigen, sagte Yıldırım jetzt.

Deutschland und Europa hatten harte Kritik an türkischen Behörden geäußert. Erdoğan wird vorgeworfen, die Lage zu nutzen, um seinen autoritären Führungsstil auszubauen. "Es hat keinen Sinn, in einen Kampf einzusteigen", sagte Yıldırım nun. Auf die Frage, ob er einen Besuch Kanzlerin Merkels erwarte, um die Probleme auszuräumen, sagte er: "Wenn sie nicht kommt, kann ich fahren. Wenn ich eingeladen werde, bin ich da."

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