Türkei:Journalistin Tolu kommt unter Auflagen frei

  • Tolu war Ende April festgenommen worden. 20 bewaffnete, maskierte Männer stürmten damals ihre Istanbuler Wohnung.
  • Tolus Prozess begann erst ein halbes Jahr nach ihrer Verhaftung am 11. Oktober.
  • Die Deutsche arbeitete für die linksgerichtete Nachrichtenagentur ETHA. Sie muss sich wegen "Mitgliedschaft in einer Terrororganisation" und "Terrorpropaganda" verantworten.

Die in der Türkei inhaftierte deutsche Journalistin und Übersetzerin Meşale Tolu kommt unter Auflagen frei. Das erklärten ihre Anwälte.

Tolu müsse sich aber jeden Montag bei den Behörden melden, teilte die Linken-Bundestagsabgeordnete Heike Hänsel, die den Prozess in Istanbul beobachtet, der Nachrichtenagentur AFP mit. Es sei zudem ein Ausreiseverbot verhängt worden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich erleichtert über die Freilassung der Journalistin Mesale Tolu in der Türkei gezeigt, wendet jedoch auch ein: "Es ist auf der anderen Seite natürlich noch keine komplett gute Nachricht, weil sie das Land nicht verlassen darf und auf der anderen Seite auch der Prozess weitergeführt wird."

Denn trotz der angekündigten Freilassung Tolus läuft das Verfahren gegen sie noch weiter. Sollte sie verurteilt werden, drohen ihr bis zu 15 Jahre Haft. Nächster Verhandlungstermin in dem Verfahren ist der 26. April 2018.

Auch Außenminister Sigmar Gabriel äußerte sich erfreut. "Das sind nicht nur gute Nachrichten, sondern das ist auch eine immense Erleichterung", sagte der SPD-Politiker."Ich glaube, wir alle in Deutschland - und auch ich persönlich - freuen uns mit Meşale Tolu über die Entscheidung des Gerichts. Damit ist das Verfahren noch nicht beendet, aber ein erster, großer Schritt ist damit gemacht", sagte er.

Die 33-jährige war Ende April festgenommen worden, 20 bewaffnete, maskierte Männer stürmten damals ihre Istanbuler Wohnung, Tolus zu dieser Zeit zweijährigen Sohn gaben sie bei den Nachbarn ab. Seitdem sitzt Tolu im Istanbuler Frauengefängnis Bakırköy hinter Gittern. Zeitweise war auch ihr kleiner Sohn mit ihr im Gefängnis. Ihr Mann Suat Çorlu war ebenfalls in der Türkei inhaftiert. Er wurde Ende November freigelassen.

Tolus Prozess begann erst ein halbes Jahr nach ihrer Verhaftung am 11. Oktober. Die Deutsche arbeitete für die linksgerichtete Nachrichtenagentur ETHA. Sie muss sich wegen "Mitgliedschaft in einer Terrororganisation" und "Terrorpropaganda" verantworten. Sie wird unter anderem beschuldigt, an Veranstaltungen teilgenommen zu haben, auf denen für die in der Türkei verbotene linksextreme Marxistisch-Leninistischen Kommunistischen Partei (MLKP) geworben worden sein soll.

Anklage basiert auf einer anonymen Zeugenaussage

Angeblich soll sie ein MLKP-Banner getragen und Propaganda-Material besessen haben. Tolus Anwältin Kader Tonç hält die Beweislage gegen ihre Mandatin für dünn. Zumal die Anklage vor allem auf einer anonymen Zeugenaussage beruht. Tolus Familie und Unterstützer halten die Inhaftierung und den Prozess für politisch motiviert.

Tolu ist eine von mindestens neun Deutschen, die aus politischen Gründen in der Türkei inhaftiert sind und deren Freilassung die Bundesregierung fordert. Namentlich bekannt aus dieser Gruppe ist neben Tolu vor allem der Welt-Korrespondent Deniz Yücel, der seit Februar ohne Anklage in U-Haft sitzt. Auch der deutsche Menschenrechtler Peter Steudtner saß in türkischer Haft, Ende Oktober, kurz nach dem Prozessauftakt wurde er freigelassen. Er durfte sofort nach Deutschland ausreisen.

Regierungssprecher Steffen Seibert sagte nach den Neuigkeiten im Fall Tolu, die Bundesregierung werde sich auch weiter für die Freilassung Yücels einsetzen. Für eine Neubewertung der deutsch-türkischen Beziehungen sei es zu früh.

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