Türkei: 142 Jahre Haft gefordert

Die türkische Justiz will die Vorsitzenden der prokurdischen Partei HDP ungewöhnlich hart bestrafen. Ihnen wird die Anstachelung zur Gewalt vorgeworfen. Die Angeklagten bezeichnen die Vorwürfe als politisch motivierte Kampagne.

Dass die türkische Justiz wenig gnädig mit den beiden Vorsitzenden der prokurdischen Demokratischen Partei der Völker (HDP) verfahren würde, stand zu erwarten. Doch das, was diese nach dem Willen der Staatsanwaltschaft verbüßen sollen, sprengt dann doch jedes übliche Maß: Selahattin Demirtaş soll, so fordert es die Anklageschrift, zu einer Haftstrafe von 43 bis 142 Jahren verurteilt werden, Figen Yüksekdağ soll eine Strafe von 30 bis 83 Jahren verbüßen. Das berichtete am Dienstag die amtliche Nachrichtenagentur Anadolu. Das Gericht muss die Anklage noch annehmen. Eine HDP-Sprecherin erklärte am Dienstagnachmittag, die Anwälte der Angeklagten hätten die entsprechenden Schriftstücke noch nicht erhalten. Anadolu zufolge werden den HDP-Chefs unter anderem Verbindungen zur verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), Terror-Propaganda und Aufstachelung zur Gewalt zur Last gelegt . Demirtaş und Yüksekdağ waren im November mit mehreren HDP-Abgeordneten festgenommen worden und sitzen seitdem in Haft. Die Vorwürfe weisen sie als politisch motivierte Kampagne der Regierung zurück. Die Führungsspitze der HDP hat sich seit Gründung der Partei 2012wiederholt für eine gewaltlose Lösung des Kurdenkonflikts ausgesprochen, in Verhandlungen zwischen Regierung und PKK nahm sie eine Vermittlerrolle ein. Seit 2015 jedoch, dem Jahr, in dem die Friedensverhandlungen scheiterten und der Konflikt wieder eskalierte, erhebt Ankara Vorwürfe der Terror-Unterstützung gegen die HDP. Ein juristisches Vorgehen gegen Abgeordnete der Partei ist möglich, seit das Parlament im Mai 2016 die Immunität von 140 Parlamentariern verschiedener Parteien aufgehoben hatte.