Türkei:Gabriel will deutsche Soldaten abziehen

Der deutsche Außenminister scheitert in Ankara mit einem letzten Vermittlungsversuch zum Luftwaffenstützpunkt Incirlik. Die Türkei beharrt auf ihr Besuchsverbot für Abgeordnete des Bundestages.

Von Stefan Braun, Ankara

Der Abzug deutscher Aufklärungs-Jets aus der Türkei ist so gut wie beschlossen. Auch eine kurzfristig anberaumte Visite von Außenminister Sigmar Gabriel in Ankara konnte den Streit um Besuchsrechte deutscher Abgeordneter im Luftwaffenstützpunkt Incirlik nicht lösen. Gabriel traf in Ankara neben Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu auch Präsident Recep Tayyip Erdoğan. Die Positionen blieben gleichwohl verhärtet. Ministerpräsident Binali Yıldırım sagte ein geplantes Treffen ab, aus Zeitgründen, wie es hieß.

Der deutsche Außenminister sagte nach dem Treffen mit Çavuşoğlu, Berlin müsse akzeptieren, dass "die Türkei in der derzeitigen Lage keine Möglichkeit sieht, Besuche in Incirlik zuzulassen". Umgekehrt müsse Ankara akzeptieren, dass Deutschland seine Soldaten nun abziehen werde. Die Bundeswehr sei eine Parlamentsarmee, es sei unverzichtbar, dass jeder Abgeordnete die Soldaten auch besuchen könne. "Ich bedauere das, aber bitte um Verständnis, dass wir aus innenpolitischen Gründen die Soldaten verlegen werden müssen", sagte Gabriel. Çavuşoğlu lobte die bilateralen Beziehungen, betonte aber, dass derzeit die Bedingungen für Besuche in Incirlik trotzdem "nicht gegeben" seien.

Beide Minister hoben hervor, dass die Entscheidung keine Auswirkungen auf die sonstigen Beziehungen zwischen der Türkei und Deutschland haben solle; beide verwiesen auch darauf, dass bald deutsche Abgeordnete den Stützpunkt Konya besuchen werden. Dort sind Awacs-Flugzeuge der Nato stationiert; anders als beim Anti-IS-Einsatz in Incirlik will die Türkei in Konya offenbar keinen Streit provozieren.

Als Konsequenz aus dem Besuch wird die Bundesregierung schon bald über einen Abzug der sechs Tornados und der etwa 260 deutschen Soldaten aus Incirlik entscheiden. Bislang hatte Kanzlerin Angela Merkel erklärt, sie wolle den Bemühungen Gabriels bis Mitte Juni noch eine Chance geben. Gleichzeitig hatte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) jüngst bei einem Besuch in Jordanien schon die Umstände für eine Verlagerung ins Königreich geprüft. Entsprechend gilt ein Beschluss über eine Verlegung als sicher.

Die Tornados gehören zum deutschen Beitrag im Kampf der internationalen Koalition gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS). Er würde durch eine Verlegung nach Jordanien mit Sicherheit für einige Monate unterbrochen werden. Um mit der Debatte darüber nicht in die heiße Phase des Wahlkampfs zu geraten, dürfte eine Entscheidung bald fallen.

Ungeachtet freundlicher Worte zu den bilateralen Beziehungen könnte der Beschluss das Klima zwischen Berlin und Ankara und damit die Lage für deutsche Journalisten wie den in der Türkei inhaftierten Welt-Korrespondenten Deniz Yücel verschlechtern. Um dem möglichst früh entgegen zu wirken, traf Gabriel nicht nur Yücels Anwalt, sondern sprach mit der türkischen Seite erneut über eine Ausweitung der Zollunion mit der Türkei. Die nicht eben gute wirtschaftliche Lage der Türkei nährt in Berlin Hoffnung, bei Fortschritten in Sachen Zollunion auch Yücels Situation und die der deutschen Journalistin Mesale Toru verbessern zu können.

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