Türkei:Fortgesetzte Zerrüttung

Der Beitrittsprozess Türkei mit der EU ist längst kollabiert. Warum ihm nicht auch amtlich den Tod bescheinigen?

Von Daniel Brössler

In den Beitrittsverhandlungen zwischen der Europäischen Union und der Türkei herrscht, so ist oft zu hören, Stillstand. Das stimmt so nicht. Mit jeder neuen willkürlichen Verhaftung, mit jedem weiteren Schlag gegen die Pressefreiheit und mit jeder Attacke gegen deutsche oder andere Politiker in der EU entfernt sich die Türkei weiter von einer Mitgliedschaft. Ihre Aufnahme ist derzeit nicht wahrscheinlicher als die Kosovos. Und Kosovo ist noch nicht einmal offizieller Beitrittskandidat.

Die Türkei unter Präsident Recep Tayyip Erdoğan erfüllt nicht annähernd die Mindestanforderungen an Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, was Voraussetzung wäre, um über einen Beitritt weiter zu verhandeln. Mit mehreren EU-Staaten, vor allem Deutschland, sind die Beziehungen zerrüttet. Der Beitrittsprozess ist kollabiert, warum ihm also nicht auch amtlich den Tod bescheinigen?

Bisher hat die EU vor der Verkündigung eines Endes aller Aussichten zurückgeschreckt. Aus ihrer Sicht sollte Erdoğan selbst die Verantwortung dafür tragen. Auch will sie die Hoffnungen der Demokraten und Proeuropäer in der Türkei nicht zerstören. Jedoch: Erst wenn die Demokratie zurückkehrt in die Türkei haben auch die EU-Ambitionen des Landes wieder eine Chance. Bis dahin muss die EU aufpassen, dass sie die Marke "Beitrittskandidat" nicht zerstört. Eigentlich soll sie ja ein Gütesiegel sein.

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