Türkei:Erdoğan will Kurden "eine Lektion erteilen"

Türkei: In Diyarbakir flüchten Demonstranten vor Wasserwerfern und Tränengas der türkischen Regierung.

In Diyarbakir flüchten Demonstranten vor Wasserwerfern und Tränengas der türkischen Regierung.

(Foto: AFP)
  • Die Hoffnung auf eine politische Lösung des Kurdenkonflikts in der Türkei wird immer geringer.
  • Die prokurdische Partei HDP spricht über Autonomiebestrebungen - Präsident Erdoğan bezeichnet diese als "offene und klare Provokation und Verrat".
  • Währenddessen geht der wiederaufgebrochene Kurdenkonflikt weiter. In den letzten zwei Wochen fielen ihm wohl mehr als 211 PKK-Kämpfer zum Opfer.

Von Mike Szymanski, Istanbul

In der Türkei schwindet die Hoffnung auf eine politische Lösung des Kurdenkonflikts. Präsident Recep Tayyip Erdoğan sagte am Dienstag, die türkische Justiz werde der oppositionellen prokurdischen Partei HDP "eine Lektion erteilen". Zuvor hatte deren Vorsitzender Selahattin Demirtaş über Autonomiebestrebungen der Kurden gesprochen. Erdoğan brandmarkte Demirtaş' Äußerungen als "offene und klare Provokation und Verrat".

"Die angestrebte enge Partnerschaft mit der EU ist kein Freibrief für die türkische Regierung"

Damit zeichnet sich ab, dass die türkische Regierung den Druck auf die Kurden weiter erhöhen wird. Manfred Weber, der Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament, warnte Ankara davor, den Streit noch mehr eskalieren zu lassen. Ende November hatte die EU der Türkei für eine bessere Kooperation bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise visafreies Reisen und einen Neustart bei den Verhandlungen über den EU-Beitritt in Aussicht gestellt. "Die angestrebte enge Partnerschaft mit der EU ist kein Freibrief für die türkische Regierung", sagte Weber (CSU) der Süddeutschen Zeitung. Mit Sorge verfolge man den sich verschärfenden Konflikt. "Das ist natürlich auch Thema bei den Gesprächen zwischen der EU und der Türkei." Bei Gefechten und Anschlägen im Südosten des Landes sind seit Wochenbeginn zahlreiche PKK-Kämpfer, Soldaten und Polizisten ums Leben gekommen.

Türkischen Medien zufolge hatte Demirtaş bei einer Rede in der Kurdenhochburg Diyarbakır erklärt, die Kurden müssten sich entscheiden, ob sie nach Autonomie streben oder "unter der Tyrannei eines Mannes" leben wollten. Die Forderung nach einem kurdischen Staat auf türkischem Territorium war eigentlich längst aufgegeben worden. Dies war eine der Voraussetzungen, um in der Vergangenheit überhaupt Friedensverhandlungen aufnehmen zu können. Premierminister Ahmet Davutoğlu sagte, er werde niemals Gespräche mit jemanden führen, der die Einheit der Türkei zur Debatte stelle.

Die AKP will Erdoğan durch ein Präsidialsystem mehr Macht geben

Zuvor hatte Davutoğlu die HDP bereits von Gesprächen über eine neue Verfassung ausgeladen, die an diesem Mittwoch beginnen sollen. Die alleine regierende AKP will auf Wunsch von Erdoğan ein Präsidialsystem in der Türkei einführen und ihm dadurch mehr Macht geben. Sie braucht jedoch Stimmen der Opposition, um diesen Plan umsetzen zu können. Die HDP lehnt den Umbau der Staatsspitze ab. Allerdings würde die Debatte über eine neue Verfassung die Möglichkeit eröffnen, politisch auf die Kurden zuzugehen. Sie wünschen sich seit Langem mehr Rechte, Freiheiten und Anerkennung, die darin festgeschrieben werden könnten.

Im Südosten des Landes hatte die türkische Armee vor Weihnachten eine Offensive gegen PKK-Anhänger in mehreren Städten gestartet. Nach Angaben des türkischen Generalstabs sind seit dem 14. Dezember mindestens 211 PKK-Kämpfer umgekommen. Im Altstadtviertel von Diyarbakır gilt seit fast vier Wochen eine Ausgangssperre. Der Kurdenkonflikt war im Sommer nach einem zweieinhalbjährigen Waffenstillstand wieder aufgebrochen.

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