Türkei:Erdoğan rudert bei Justizreform zurück

Der Druck auf den Premier zeigt offenbar Wirkung: Nach Einwänden des türkischen Staatspräsidenten Gül und der EU plant Ministerpräsident Erdoğan offenbar, seine umstrittene Justizreform zu entschärfen. Bisher musste er sich vorwerfen lassen, die Gewaltenteilung auszuhebeln.

Die Justizreform des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdoğan könnte aufgrund von Einwänden der EU und von Staatspräsident Abdullah Gül entschärft werden. Das habe sich nach einem Gespräch Erdoğans mit Gül abgezeichnet, meldeten mehrere Medien übereinstimmend.

Demnach soll die für Freitag vorgesehene Schlussabstimmung über die Reform verschoben werden, um Zeit für Nachbesserungen zu schaffen.

Von einer vollständigen Abkehr von dem Projekt könne aber keine Rede sein, sagte Erdoğan laut der Nachrichtenagentur Anadolu. Er wolle eine Einigung mit der Opposition, um die Reform durch eine Verfassungsänderung auf eine breite Grundlage zu stellen.

Die Chancen dafür stehen aber schlecht. Kritiker werfen Erdoğan vor, er wolle mit der Reform die Kontrolle über die Justiz an sich reißen.

Bei der Reform geht es um den so genannten Hohen Rat der Richter und Staatsanwälte (HSYK), der für die Ernennung und Ablösung von Richtern und Staatsanwälten zuständig ist. Der Gesetzentwurf sieht ein stärkeres Gewicht des Justizministeriums in dem Gremium vor.

Nach Medienberichten befürchten sowohl die EU als auch Präsident Gül, dass das Gesetz in seiner jetzigen Form das Prinzip der Gewaltenteilung aushebeln könnte. Die Opposition im Parlament protestiert seit Tagen gegen den Gesetzentwurf.

Bei den Plenumsberatungen über die Reform hatte ein Abgeordneter der AKP am Donnerstag einen Oppositionspolitiker krankenhausreif geschlagen. Eine Entschuldigung dafür lehnte Erdoğan ab. Immerhin habe die Opposition ihn selbst und seine Familie beleidigt. Auch der AKP-Politiker Oktay Saral, der die Schläge ausgeteilt hatte, machte Provokationen der Opposition für den Zwischenfall verantwortlich.

Erdoğan sagte auch, Gül habe von ihm nicht den Verzicht auf die Reform verlangt. Seine Regierungspartei AKP werde das Paket falls nötig mit ihrer Mehrheit durchs Parlament bringen.

Erdoğans Regierung hatte die Reform als Reaktion auf die Korruptionsaffäre initiiert. Sie argumentiert, regierungsfeindliche Kräfte in der Justiz hätten Korruptionsermittlungen als politische Waffe gegen Erdoğan eingesetzt. Hunderte Polizisten, Richter und Staatsanwälte sind seit Aufdeckung der Affäre im Dezember zwangsversetzt worden.

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