Türkei:Erdoğan erwägt EU-Referendum

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Auf dem Prüfstand: Recep Tayyip Erdoğan will nun auch darüber abstimmen lassen, ob es weitere Beitrittsgespräche zur EU geben soll. (Foto: Ozan Kose/AFP)

Der türkische Präsident droht mit einem Ende der Beitrittsgespräche.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan erwägt eine Volksbefragung darüber, ob sein Land die Beitrittsgespräche zur Europäischen Union noch fortsetzen soll. Zunächst werde es am 16. April das Referendum über mehr Machtbefugnisse für den Präsidenten geben, sagte Erdoğan am Samstag auf einer Veranstaltung in Antalya. Danach wolle er die Beziehungen zur EU und das Flüchtlingsabkommen zwischen beiden Seiten auf den Prüfstand stellen, es werde alles "von A bis Z" auf den Tisch kommen. Und es könnte ein zweites Referendum über die Beitrittsgespräche geben, "wir würden uns an das Ergebnis halten, wie auch immer unser Volk entscheidet", so der Präsident am Samstag auf einer Kundgebung. Zuvor hatte Erdoğan betont, er werde auch internationale Konsequenzen für die von ihm favorisierte Wiedereinführung der Todesstrafe akzeptieren. Wenn die EU erkläre, für eine Türkei mit Todesstrafe sei in der Union kein Platz, sei dies so, sagte Erdoğan in Antalya. Er werde eine Entscheidung des Parlaments für die Todesstrafe bestätigen.

Die Türkei war 1963 eine Partnerschaft mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft eingegangen. "Seit 54 Jahren wartet die Türkei vor der Tür", sagte Erdoğan dazu. 2005 schließlich begannen die EU und die Türkei mit Beitrittsgesprächen, kamen aber nur schleppend voran, etwa wegen Unstimmigkeiten bei der Zypernfrage oder den Menschenrechten. In den vergangenen Monaten hat sich das Verhältnis deutlich verschlechtert.

Am Sonntag wiederholte Erdoğan zudem seine Faschismus-Vorwürfe gegenüber Deutschland: Er verwies unter anderem auf den Prozess um die NSU-Mordserie in München und sagte: "Ihr habt das noch immer nicht aufgeklärt. Ihr seid Faschisten, Faschisten." Erdoğan hatte zuletzt vor allem Deutschland und die Niederlande mit Nazi-Vergleichen kritisiert. Vorausgegangen war ein Streit über Auftritte türkischer Politiker in beiden Ländern, bei denen diese um Unterstützung für das April-Referendum werben wollten, über das türkische Staatsbürger im Ausland bereits ab diesem Montag abstimmen können. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble kritisierte Erdoğan nach dessen wiederholten verbalen Angriffen. Dessen Rhetorik mache ihn fassungslos, sagte Schäuble der Welt am Sonntag. "Sie zerstört in kurzer Zeit mutwillig, was über Jahre an Integration in Deutschland gewachsen ist." Die Reparatur der Schäden werde Jahre dauern.

© SZ vom 27.03.2017 / dpa, Reuters - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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