Türkei:Erdoğan: Der Verfall der Lira ist ein ausländisches Komplott

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Vor der Wahl im Juni fordert der türkische Präsident seine Landsleute auf, die heimische Währung durch Käufe zu stützen. Die Regierung sieht hinter dem Verfall der Lira eine Verschwörung.

Von Christiane Schlötzer, Istanbul

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat seine Landsleute aufgefordert, ihre Ersparnisse in türkische Lira zu tauschen, um die Währung zu stützen. "Meine Brüder, können diejenigen von euch, die Euro und Dollar unter ihren Kopfkissen haben, dieses Geld bitte in Lira investieren", sagte Erdoğan am Samstag bei einer Wahlveranstaltung im osttürkischen Erzurum. Die Türken würden damit "gemeinsam dieses Komplott vereiteln".

Die Regierung sieht hinter dem Verfall der Lira, die seit Jahresbeginn mehr als 20 Prozent an Wert verloren hat, eine Verschwörung einheimischer und ausländischer Finanzkräfte, die Erdoğan vor der Präsidenten- und Parlamentswahl am 24. Juni schwächen wollten. Besonders dramatisch war der Wertverlust der Lira in der vergangenen Woche, ein Dollar kostete zeitweise fast fünf Lira, daraufhin griff die Zentralbank am Donnerstagabend überraschend ein und hob einen wichtigen Leitzins an. Erdoğan hatte zuvor Zinserhöhungen entschieden abgelehnt.

Vizeregierungschef Mehmet Şimşek, der für das Finanzwesen zuständig ist, versicherte nach der Zinsanhebung, die Zentralbank der Türkei bleibe unabhängig. "Wir verstehen die Sorgen der Investoren", sagte Şimşek, "wir werden weiterhin die nötigen Schritte unternehmen." Die Zentralbank hat türkischen Exporteuren nun auch erlaubt, Kredite, die sie in Dollar oder Euro aufgenommen haben, vorübergehend in Lira zu begleichen.

Besorgt ist auch der Verband der türkischen Industrie (Tüsiad) - nicht nur wegen der Währungsturbulenzen. Bei einem Treffen der Verbandsspitze forderte Tüsiad-Chef Erol Bilecik eine Rückkehr zu einer verlässlichen Reformpolitik. Bilecik unterstrich die Bedeutung eines funktionierenden Rechtsstaats und der Meinungsfreiheit für eine Demokratie. Die Türkei müsse ihr Wirtschaftsmodell auch besser an eine globale Ökonomie anpassen.

Vertreter des Verbands hatten zuvor schon eine Aufhebung des Ausnahmezustands gefordert, der seit dem Putschversuch vom Juli 2016 gilt und bisher alle drei Monate verlängert wurde. Erdoğan hatte dagegen den Ausnahmezustand erst jüngst auch vor Wirtschaftsvertretern verteidigt, schließlich seien im Ausnahmezustand keine Streiks möglich. "Der Ausnahmezustand kann nicht beendet werden, bevor der Frieden nicht wiederhergestellt ist", sagte Erdoğan. Die Regierung geht von einer anhaltenden Bedrohung durch "verschiedene Terrorgruppen" aus.

Der Präsidentschaftskandidat der größten Oppositionspartei, der CHP, Muharrem İnce, will im Fall eines Wahlsiegs ein Lieblingsprojekt Erdoğans, den Bau eines zweiten Bosporus, genannt Kanal Istanbul, aufgeben. Umweltschützer fürchten, das Megaprojekt würde Istanbuls Wasserversorgung gefährden. Für Wirbel sorgte ein Besuch İnces an der Medizinfakultät der Istanbul-Universität. Deren Dekan musste auf Druck der staatlichen Universitätsaufsicht zurücktreten. Er wisse nicht, wie er einem Präsidentschaftskandidaten die Tür hätte weisen können, sagte der Dekan.

© SZ vom 28.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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