Türkei: DTP-Partei:Verfassungsgericht verbietet Kurdenpartei

Das türkische Verfassungsgericht untersagt den 37 Funktionären der DTP-Partei die politische Betätigung und stört so den Versöhnungskurs der Regierung.

Kai Strittmatter, Istanbul

Das türkische Verfassungsgericht hat die kurdische "Partei für eine demokratische Gesellschaft" DTP verboten wegen Unterstützung einer terroristischen Organisation. Verfassungsgerichtpräsident Hasim Kilic verkündete das Verbot nach vier Tagen Verhandlung am Freitagabend. Neben der Partei erhielten auch 37 ihrer Funktionäre ein fünfjähriges Politikverbot, darunter mehrere der 22 Abgeordneten, die die DTP im Parlament in Ankara vertreten. Vom Politikverbot betroffen sind unter anderem Vorsitzende Ahmet Türk sowie die Aktivistin Leyla Zana.

Türkei: DTP-Partei: Vor vier Tagen sprach DTP-Chef Ahmet Turk noch vor dem Parlament. Jetzt ist seine Partei verboten.

Vor vier Tagen sprach DTP-Chef Ahmet Turk noch vor dem Parlament. Jetzt ist seine Partei verboten.

(Foto: Foto: AFP)

Das Gericht folgte einem Antrag von Generalstaatsanwalt Abdurrahman Yalcinkaya, der der DTP vorwirft, "die Einheit von Staat und Nation zu verletzen". Die elf Richter fällten die Entscheidung einstimmig. Die Entscheidung gilt als Rückschlag für die Kurdeninitiative von Premier Tayyip Erdogan. Die DTP nannte die Entscheidung in einer ersten Reaktion einen "politischen Putsch".

Die Partei hatte bei den Wahlen von 2007 mit 22 unabhängigen Kandidaten den Einzug ins Parlament geschafft. Sie gründete erstmals eine eigene kurdische Fraktion und gab Hoffnungen auf einen neuen türkisch-kurdischen Dialog Auftrieb. Ein Dialog, der einen Schlussstrich unter Jahrzehnte der Unterdrückung der kurdischen Minderheit und 25 Jahre blutigen Bürgerkriegs zwischen der Armee und den Kämpfern der separatistischen Kurdischen Arbeiterpartei PKK bringen sollte. Doch wurde die DTP von ihren Parlamentskollegen entweder feindselig aufgenommen oder ignoriert. Auf der anderen Seite erweckte ein Teil ihrer Funktionäre oft den Eindruck, sich von der PKK instrumentalisieren zu lassen.

Die Türkei hat eine lange Geschichte von Parteienverboten. Die Regierungspartei AKP selbst ist erst 2008 denkbar knapp einem Verbot entgangen wegen angeblicher "antisäkularer Aktivitäten", und die DTP ist nicht die erste kurdische Partei, die verboten wurde. Die Maßnahme ereilt das Land zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Sie hat das Potential, die Spannungen zu verschärfen, und das zu einer Zeit, da die regierende AKP mit einer mutigen Reforminitiative den Kurden entgegenkommen wollte. Unter anderem hat sie in den letzten Monaten kurdischsprachigen privaten Fernsehanstalten erlaubt, rund um die Uhr zu senden.

Noch am Donnerstag hatte der Vorsitzende des türkischen Menschenrechtsvereins IHD, Öztürk Türkdogan, die Richter zu einer Ablehnung des Verbotsantrages aufgefordert: "Die DTP ist der natürliche Ansprechpartner für die Kurdenfrage im Parlament". Allerdings hatte die DTP zuletzt der Regierung die Unterstützung für ihre Reformen aufgekündigt - viele Beobachter vermuten, dass das auf Druck der PKK geschah, die sich mehr und mehr an den Rand gedrängt fühlt.

Die Partei wird sich vermutlich schnell neu gründen. Beobachter befürchten dennoch eine Eskalation der Spannungen, die schon in den letzten Wochen anstieg. Die DTP hatte landesweit Demonstrationen für den inhaftierten Chef der PKK, Abdullah Öcalan, organisiert, von denen manche gewalttätig verliefen.

Liberale Kommentatoren fordern schon lange eine Änderung von Parteiengesetz und Verfassung der Türkei, um Verbote zu erschweren. Die Zeitung Taraf meldete erst diese Woche, Generalstaatsanwalt Yalcinkaya sammle wieder Material für ein neues Verbotsverfahren gegen die Regierungspartei AKP.

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