Türkei:Die Justiz beugt das Recht

Ankara missbraucht den Terrorvorwurf als juristische Allzweckwaffe.

Von Luisa Seeling

Froh sei er, dass das alles ein Ende habe, sagte Deniz Naki im November einem Reporter aus Deutschland. Kurz zuvor hatte ein Gericht in Diyarbakır den früheren Fußballprofi des FC St. Pauli vom Vorwurf der Terrorpropaganda für die kurdische PKK freigesprochen. Doch die Justiz ließ nicht locker: Jetzt wurde Naki doch noch zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, vom selben Richter, der ihn freigesprochen hatte. Und der Reporter, der ihn damals interviewte? Er heißt Deniz Yücel und sitzt seit mehr als 50 Tagen in Untersuchungshaft. Der Vorwurf: Terrorpropaganda.

Das ist mehr als eine absurde Pointe, das hat System. Es gehört in diesen Tagen in der Türkei nicht sehr viel dazu, als Terrorhelfer vor Gericht zu landen. Naki hatte einen Sieg seines Teams jenen gewidmet, "die in 50 Tagen Unterdrückung getötet oder verletzt wurden" - gemeint waren die Menschen in Städten der Südosttürkei, die damals in einer Art Belagerungszustand lebten. Hunderte Akademiker, die 2016 ein Ende des Tötens in den Kurdengebieten forderten, verloren ihre Jobs, viele wurden angeklagt.

Die PKK ist eine Terrororganisation. Der Staat hat das Recht, ja die Pflicht, gegen sie vorzugehen. Doch längst dient der Terrorvorwurf als juristische Allzweckwaffe. Wer auf das Leid der kurdischen Bevölkerung hinweist, wer Ankaras rücksichtsloses Vorgehen im Südosten anprangert, soll eingeschüchtert werden.

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