Türkei:Die Annäherung kann beginnen

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Präsident Recep Tayyip Erdoğan entschuldigt sich für den Abschuss eines russischen Jets im syrischen Grenzgebiet. Erst Israel, jetzt Russland - die Türkei setzt ihren Kurs der Versöhnung fort.

Von Julian Hans, Mike Szymanski, Istanbul/Moskau

Ein Wort nur: Entschuldigung. Seit Monaten warten die Russen darauf, dass sich die Türkei dafür entschuldigt, im vergangenen November einen ihrer Kampfjets vom Himmel geholt zu haben. Der russische Flieger hatte ein paar Sekunden nur im türkisch-syrischen Grenzgebiet den Luftraum verletzt. Aber es war nicht der erste Vorfall dieser Art. Und auch dieses Mal soll es - so die Darstellung aus Ankara - nicht an Warnungen gefehlt haben. Aber dann feuerten die türkischen Piloten wirklich.

Einer der beiden russischen Besatzungsmitglieder kam an diesem Tag ums Leben. Der zweite Mann konnte sich retten. Aus der Türkei und aus Russland waren an diesem Tag im November Gegner geworden, das Verhältnis beider Länder seither: eisig.

Jetzt ist sie da, die lang ersehnte Entschuldigung. Ein Kreml-Sprecher erklärte am Montagnachmittag, Recep Tayyip Erdoğan habe in einem Schreiben an Wladimir Putin sein Bedauern über den Abschuss eines russischen Kampfjets im November be-kundet. Der türkische Präsident habe Russland als Freund und strategischen Partner bezeichnet, zu dem er nicht die Beziehungen verderben wollte, hieß es in einer Mitteilung, die der Kreml am Montagnachmittag veröffentlichte. "Wir hatten nie die Absicht, ein Flugzeug der Russischen Föderation abzuschießen", zitiert der Kreml Erdoğan. Demnach versprach der türkische Präsident, "alles in meiner Macht stehende zu tun, um die traditionell freundschaftlichen Beziehungen zwischen der Türkei und Russland wieder herzustellen". Dies sei unter anderem wichtig, um gemeinsam auf die Krisen in der Region zu reagieren und den Terrorismus zu bekämpfen. An die Familie des getöteten Piloten schreibt Erdoğan dem Kreml zufolge: "Ich möchte noch einmal mein Mitgefühl und meine tiefe Anteilnahme ausdrücken und sage: entschuldigen Sie".

Jetzt kann die Annäherung beginnen. Die Türkei scheint auf Versöhnungskurs zu sein. Erst Israel. Jetzt Russland. Zuletzt war es einsam um die Türkei geworden. Die Beziehungen zu fast allen Nachbarn sind von Streit belastet. Der Wirtschaft und dem türkischen Ansehen in der Welt bekommt das nicht. Erdoğan will jetzt keine Zeit mehr verlieren. Beide Seiten sind übereingekommen, ohne Verzögerungen alles nötige zu tun, die Beziehungen zu verbessern. Jetzt ist Russland an der Reihe.

© SZ vom 28.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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