Türkei:Deutscher Menschenrechtsaktivist kommt nach Hause

  • Der deutsche Menschenrechtler Peter Steudtner kommt aus türkischer U-Haft frei und wird noch an diesem Donnerstag zurück in Deutschland erwartet.
  • Altkanzler Schröder hat durch seine Vermittlung zu der Freilassung beigetragen.
  • Die Bundesregierung begrüßt die überraschende Entscheidung, erinnert aber "an die, die immer noch in Haft sind".
  • Steudtner, Mitarbeiter von Amnesty International, wird die Unterstützung einer bewaffneten Terrororganisation vorgeworfen.

Bei der Freilassung des deutschen Menschenrechtsaktivisten Peter Steudtner aus türkischer Haft hat Altkanzler Gerhard Schröder mitgewirkt. Außenminister Sigmar Gabriel sagte dem Magazin Der Spiegel, er sei Schröder "sehr dankbar für seine Vermittlung". Es sei "ein erstes Zeichen der Entspannung, denn die türkische Regierung hat alle Zusagen eingehalten."

Dem Spiegel zufolge reiste Schröder eine Woche vor der Bundestagswahl zum türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, um mit ihm über Steudtner und die anderen deutschen Inhaftierten zu sprechen. Die Vermittlung Schröders sei im Auftrag der Bundesregierung erfolgt. Das Büro Schröders teilte mit, der Ex-Kanzler freue sich über die Freilassung Steudtners. Weitere Angaben wollte es nicht machen. Gabriel sagte, an der Freilassung anderer Inhaftierter werde gearbeitet.

Steudtner war am Mittwochabend nach mehr als drei Monaten ohne Auflagen aus der Untersuchungshaft entlassen worden und wird noch an diesem Donnerstag in Berlin erwartet. "Wir sind alle mehr als erleichtert", sagte Steudtner nach seiner Freilassung aus dem Gefängnis Silivri westlich von Istanbul. "Wir sind unglaublich dankbar denen gegenüber, die uns unterstützt haben - juristisch, diplomatisch oder mit ihrer Solidarität".

Auch sieben weitere angeklagte Menschenrechtler sollen freikommen, wie das Gericht in Istanbul entschied. Unter ihnen sind die Direktorin von Amnesty International in der Türkei, İdil Eser, und der schwedische IT-Spezialist Ali Gharavi. Eine Ausnahme stellt der Vorsitzende von Amnesty International in der Türkei, Taner Kilic, dar - er sitzt wegen eines anderen Verfahrens in U-Haft, das an diesem Donnerstag in Izmir beginnen soll.

Die Entscheidung des Gerichts nach 100 Tagen Untersuchungshaft sei "sehr überraschend", sagte Eser nach ihrer Freilassung. Zugleich gebe es immer noch "viele Freunde, Journalisten, die ungerechtfertigt im Gefängnis sind", sagte sie. "Wir werden mit unserer Arbeit weitermachen, bis alle Verteidiger der Menschenrechte und Journalisten freigelassen werden."

Die geschäftsführende Bundesregierung begrüßte die Aufhebung der Untersuchungshaft, erinnerte aber wie Eser "an die, die immer noch in Haft sind". "Endlich! Peter Steudtner und weitere Menschenrechtler kommen frei", schrieb Regierungssprecher Steffen Seibert bei Twitter.

Zügige Ausreise erwartet

Den Angeklagten, zu denen die Spitze von Amnesty International Türkei gehört, wurde die Unterstützung einer bewaffneten Terrororganisation vorgeworfen. Dafür drohen für gewöhnlich lange Haftstrafen. Steudtner wies vor Gericht sämtliche Vorwürfe zurück und sagte: "Ich habe nie in meinem Leben irgendeine militante oder terroristische Organisation unterstützt." Er sei gegen jede Art von Gewalt, habe auch keinen Wehrdienst geleistet.

Die Angeklagten werden nur bis zu einem Urteil auf freien Fuß gesetzt, das Verfahren in Istanbul geht im November weiter. Für Steudtner und Gharavi dürfte das aber keine Auswirkungen mehr haben. Steudtner wird bereits am Donnerstagmittag zurück in seiner Heimatstadt Berlin erwartet.

Fast alle Angeklagten waren am 5. Juli auf einer Insel vor Istanbul bei einem Seminar festgenommen worden. In der Anklage wird der Workshop, bei dem es um IT-Sicherheit und Stressabbau ging, zum "Geheimtreffen" mit dem Ziel des Umsturzes erklärt.

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