Türkei:Das goldene Visum

Immer mehr Türken kaufen Häuser in Griechenland.

Von Luisa Seeling

Der Putschversuch in der Türkei hat griechischen Immobilienhändlern unerwartete Kundschaft beschert. Wechselt in Griechenland ein Haus oder eine Wohnung den Eigentümer, kommt der Käufer offenbar immer häufiger aus der Türkei. Offizielle Zahlen gibt es nicht, doch Immobilienhändler bestätigen das Phänomen. "In den vergangenen zwei Jahren haben wir einen massiven Anstieg türkischer Käufer gehabt", sagt Vassilis Axarlis, Inhaber der Athener Firma Ellika Real Estate. "Vor allem nach dem Putsch haben Angehörige der türkischen Mittelschicht angefangen, über eine Immobilie in Europa nachzudenken." Axarlis spricht von einer Zunahme um "1000 Prozent".

Wie viele türkische Kunden er betreut und ob unter ihnen politisch Verfolgte sind, will Axarlis nicht sagen. Er vermeide es, seine Kunden nach ihren Gründen zu fragen - sie schätzten Diskretion. Die wollen auch andere Immobilienhändler wahren. Viele äußern sich nur anonym, weil sie befürchten, türkische Käufer würden sonst abgeschreckt. Der Anstieg habe einige Wochen nach dem gescheiterten Militärputsch am 15. Juli eingesetzt, sagt einer. Ein anderer sieht ebenfalls eine Zunahme - allerdings auf niedrigem Niveau; seine Firma habe zuvor kaum türkische Kunden gehabt.

Viele Käufer sind Axarlis und seinen Kollegen zufolge Staatsbedienstete, Unternehmer, Anwälte, Freiberufler. Und "Intellektuelle", auch wenn das kein Beruf ist. Die meisten kämen aus Istanbul, Izmir und Ankara - aus Städten, in denen es eine ausgeprägte europäische Kultur gebe. Die griechische Zeitung Kathimerini vermutet, die türkischen Käufer wollten "vorsorgen", falls sich die Lage in ihrem Land noch weiter verschlechtert. "Ein Haus in Griechenland ist ein Tor nach Europa", sagt Axarlis. Das liegt an einer Besonderheit: Wer in Griechenland Immobilien im Wert von mindestens 250 000 Euro erwirbt, kann eine Aufenthaltsgenehmigung für das EU-Land bekommen. Sie gilt für fünf Jahre und kann, sofern die Immobilie nicht verkauft wird, beliebig oft erneuert werden. Das Gesetz wurde 2013 von der sozialdemokratischen Partei Pasok und der konservativen Nea Dimokratia verabschiedet, um in der Krise Investoren anzulocken. Nach Angaben von Enterprise Greece, einer staatlichen Agentur zur Investitionsförderung, wurden von 2013 bis Anfang September 2016 schon 1326 solcher "goldenen Visa" ausgestellt. Am stärksten vertreten: Chinesen, Russen, Ukrainer, Libanesen. Die Zahl gibt nur Auskunft über bereits erteilte Aufenthaltsgenehmigungen. Bis ein Antrag bearbeitet ist, dauert es. Gut möglich, dass sich der Anteil der Türken zuletzt erhöht hat. Axarlis führt das gestiegene Interesse aus der Türkei aber nicht nur auf den Putsch zurück. "Die Krise hat generell Käufer aus dem Ausland gebracht", sagt er. Die Immobilienpreise seien um 50 Prozent gefallen. Viele Griechen müssten ihre Häuser verkaufen. Für kaufwillige Ausländer ein idealer Zeitpunkt.

Und trotz allen Geredes über die Erzfeindschaft zwischen den beiden Nachbarn lässt sich auch dies nicht ausschließen: Dass viele Türken Griechenland einfach großartig finden. Die Zahl der türkischen Urlauber an griechischen Stränden hat sich in den vergangenen Jahren schließlich vervielfacht.

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