Türkei:Das Geduze

Die türkischen Töne gegenüber Deutschland sind unverschämt.

Von Gökalp Babayiğit

Ein Außenminister als oberster Diplomat seines Landes? Was in den meisten Staaten der Welt gelebte Tradition ist, gilt nicht mehr für die Türkei. Dass die Regierung in Ankara auf die Gepflogenheiten internationaler Politik pfeift, dass sie die Sitten im Umgang mit - eigentlich - befreundeten Nationen gerne und bewusst missachtet, gehört mittlerweile leider zur Tagesordnung.

Nach Nazi-Vergleichen und anderen Ehrabschneidungen blaffte Außenamtschef Çavuşoğlu nun wieder Deutschland an. Der Berliner Kritik an der Festnahme zweier Deutscher entgegnete er: "Das sind auch türkische Staatsbürger, was geht's dich an?" Misch dich nicht ein, halt dich da raus - Çavuşoğlus Botschaft hat nicht nur einiges an Chuzpe, erinnert man sich etwa an Erdoğans Aufruf an die Türken in Deutschland, bei der Wahl den "Feinden der Türkei", Union, SPD und Grünen, keine Stimme zu geben; sie ist auch im Ton eine Unverschämtheit.

Das erniedrigende Geduze hat Erdoğan in seinem Kabinett salonfähig gemacht, dabei ist es genau dies eben nie - vor allem nicht im Türkischen, in dem das Du nur verwendet wird, wenn man seinem Gegenüber nahesteht oder gutgesinnt ist; oder man glaubt, man stehe weit über seinem Gesprächspartner und müsse ihn das spüren lassen. Ein Gutgesinnter ist Çavuşoğlu nicht. Doch er weiß: Der türkischen Wählerschaft gefällt die zur Schau gestellte Selbstüberhebung.

© SZ vom 04.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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