Türkei:Bundesregierung: Todesstrafe wäre "Ende der EU-Beitrittsverhandlungen"

  • Führende Politiker der Europäischen Union fordern nach dem Putschversuch in der Türkei eine besonnene Reaktion von Ankara.
  • Die Bundesregierung warnt, eine Wiedereinführung der Todesstrafe bedeute das Ende der EU-Beitrittsverhandlungen.
  • Beim Treffen in Brüssel zeigen sich mehrere EU-Außenminister besorgt, dass sich die Türkei nun weiter von demokratischen Grundsätzen entfernen könne.
  • Am Flüchtlingsabkommen mit der Türkei will die EU festhalten.

Angesichts des harten Durchgreifens der Regierung nach dem Putschversuch in der Türkei rufen führende Politiker in der EU die Türkei zur Mäßigung auf. Mit Blick auf die Forderungen türkischer Politiker, die Todesstrafe wiedereinzuführen, schickt etwa die Bundesregierung eine unmissverständliche Warnung nach Ankara: "Deutschland und die EU haben eine klare Haltung: Wir lehnen die Todesstrafe kategorisch ab", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. "Die Einführung der Todesstrafe in der Türkei würde folglich das Ende der EU-Beitrittsverhandlungen bedeuten."

Ähnlich äußerten sich mehrere EU-Außenminister im Umfeld des heutigen Treffens in Brüssel, etwa der Österreicher Sebastian Kurz und sein luxemburgischer Kollege Jean Asselborn. "Es darf keine willkürlichen Säuberungsaktionen geben, keine Strafsanktionen außerhalb des rechtsstaatlichen Rahmens und der Justiz", sagte Kurz in einem Interview mit dem österreichischen Kurier.

Asselborn warnte die Türkei, sich von ihren westlichen Partnern abzuwenden. "Die Nabelschnur überall durchzuschneiden, das wird den Menschen in der Türkei nicht helfen", sagte er im ZDF-Morgenmagazin. Asselborn forderte Präsident Recep Tayyip Erdoğan auf, mit rechtsstaatlichen Mitteln auf den Putschversuch zu reagieren.

Johnson: "Zurückhaltung und Mäßigung auf allen Seiten"

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini forderte, die legitimen Institutionen der Türkei müssten geschützt werden. Das bedeute aber nicht, dass nun Recht und Gesetz sowie das System der Gewaltenteilung nicht mehr zählten. Im Interesse der Türkei müssten diese jetzt erst recht verteidigt werden.

Der neue britische Außenminister Boris Johnson äußerte sich vorsichtig. "Ich denke, es ist sehr wichtig, dass wir Zurückhaltung und Mäßigung auf allen Seiten sehen." Deutlicher wird sein französischer Amtskollege: "Wir müssen wachsam sein, dass die türkische Regierung kein politisches System einführt, das sich von der Demokratie abwendet", sagte Jean-Marc Ayrault.

Erdoğan hatte nach dem gescheiterten Putschversuch angekündigt, die Beteiligten würden einen "sehr hohen Preis bezahlen". Zudem hatte er gesagt, er werde nun den Staat von "Viren und Metastasen säubern". Offen zeigte er sich für eine Debatte um die Wiedereinführung der Todesstrafe. Laut türkischer Regierung wurden bisher etwa 6000 Menschen festgenommen, unter ihnen dutzende Generäle, Richter und Staatsanwälte. Zudem wurden etwa 2800 Richter entlassen.

Wenn die Türkei die Todesstrafe wieder einführt, würde ihr nicht nur der Beitritt zur EU verweigert, sie müsste auch aus dem Europarat austreten. Das teilte der Sprecher dieser internationalen europäischen Organisation mit. Daniel Höltgen sagte, mit einer Mitgliedschaft in der für Menschenrechtsfragen zuständigen Staatenorganisation sei die Todesstrafe nicht zu vereinbaren.

EU will am Flüchtlingsdeal mit der Türkei festhalten

Angesichts des gescheiterten Putschversuchs und der "Säuberungen", die Erdoğan nach eigenem Bekunden vornehmen will und die bereits in vollem Gang sind, will die EU-Kommission am im März geschlossenen Flüchtlingsabkommen mit der Türkei festhalten. Man hoffe, dass die Regierung in Ankara ihre Zusagen genauso wie die EU weiter umsetze, sagt der Chefsprecher der Brüsseler Behörde. Umstritten sind die Voraussetzungen für die vereinbarte Visabefreiung für Türken bei der Einreise in die EU, die unter anderem eine Abmilderung der türkischen Anti-Terror-Gesetze vorsehen.

Auch die Bundesregierung sieht zunächst keine Auswirkungen der Lage in der Türkei auf das Flüchtlingsabkommen mit der EU. "Wir sind der Überzeugung, dass das getrennt zu sehen ist", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Die EU werde ihre Zusagen aus dem Abkommen erfüllen. "Wir erwarten das auch von der Türkei."

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