Türkei:Berlin reagiert verärgert auf türkische Reisewarnung

Ankara mahnt Bürger zur Vorsicht in Deutschland. Kanzleramtsminister Altmaier nennt den Vorgang einen "schlechten Witz".

Von Nico Fried

Berlin Die Bundesregierung hat verärgert auf eine erneute Provokation des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan reagiert. Die Regierung in Ankara hatte am Wochenende eine Mitteilung veröffentlicht, in der sie in Deutschland lebende Türken sowie türkische Staatsbürger, die nach Deutschland reisen wollen, zur Vorsicht mahnt. Die türkische Regierung selbst nannte die Mitteilung eine "Reisewarnung", allerdings hat diese nicht denselben rechtlichen Status wie eine in Deutschland gebräuchliche Reisewarnung, die vom Auswärtigen Amt erlassen wird und zum Beispiel rechtliche Bindung für die Stornierung von Reisen hat.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wies die Warnung zurück. Jeder Türke könne nach Deutschland reisen, sagte sie auf einer Wahlkampfveranstaltung. "Bei uns herrscht Meinungsfreiheit und Rechtsstaatlichkeit." Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) nannte den Vorgang einen "schlechten Witz". Auch SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz zeigte sich empört: "Fakt ist: In der Türkei, nicht bei uns werden Journalisten verhaftet, die ihre Meinung sagen." Grünen-Chef Cem Özdemir sagte, der türkische Staatschef betreibe "Propaganda". Erdoğans Verhalten sei eines Präsidenten unwürdig. "Er will den Spaltpilz nach Deutschland tragen, das dürfen wir nicht zulassen."

Nach Ansicht der Regierung in Ankara sollen sich Türken in Deutschland nicht auf politische Debatten einlassen, sich von Wahlkampfveranstaltungen politischer Parteien sowie von Plätzen fernhalten, wo Kundgebungen oder Demonstrationen stattfinden, die von "Terrororganisationen organisiert oder unterstützt und von den deutschen Behörden geduldet werden". Gemeint sind offenkundig die kurdische Arbeiterpartei PKK sowie die Gülen-Bewegung. Die politische Atmosphäre in Deutschland sei zudem zunehmend von einem "rechtsextremen, gar rassistischen Diskurs" geprägt. So führten die politischen Führer einen Bundestagswahlkampf, der auf "Türkeifeindlichkeit" und darauf gegründet sei, die EU-Mitgliedschaft der Türkei zu verhindern. Das türkische Außenministerium behauptet zudem, dass türkische Bürger bei der Einreise nach Deutschland von Sicherheits- und Zollbehörden "willkürlich hingehalten, befragt und respektlos behandelt" würden.

Das deutsch-türkische Verhältnis wird seit Wochen durch die Inhaftierung mehrerer deutscher Staatsbürger belastet, die von der Bundesregierung als nicht gerechtfertigt angesehen und als Verstoß gegen die Rechtsstaatlichkeit bezeichnet wird. Unter ihnen ist auch der deutsch-türkische Journalist Deniz Yücel, der am Sonntag 44 Jahre alt wurde. Kollegen, Künstler, aber auch zahlreiche Politiker übermittelten Yücel Glückwünsche, unter ihnen Außenminister Sigmar Gabriel (SPD). "Wir werden nicht ruhen, bis Sie freigelassen werden", schrieb er in der Welt am Sonntag. Altmaier schrieb, man kämpfe für einen baldigen, fairen Prozess und eine schnelle Freilassung. "Mit Ihrer aufrechten Haltung machen Sie vielen Menschen Mut. Sie sind ein Held."

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