Türkei:Belehrung aus Ankara

Die türkische Regierung findet, ein Auftritt von Präsident Erdoğan in Deutschland sei sein gutes Recht.

Von Luisa Seeling

Turkish President Recep Tayyip Erdogan delivers a speech at an iftar in the capital Ankara on 15 Jun

Er redet halt gern: Der türkische Präsident Erdoğan bei einem Auftritt in der Hauptstadt Ankara.

(Foto: imago)

Die Antwort aus Ankara klang erwartungsgemäß verärgert, und sie zeigte, dass es eine Sprachregelung gibt. Ibrahim Kalın, Sprecher des türkischen Staatspräsidenten, nannte am Donnerstagabend das deutsche Auftrittsverbot für Recep Tayyip Erdoğan "das konkreteste Beispiel für zweierlei Maß", das in Europa existiere. EU-Minister Ömer Çelik twitterte, die Äußerungen einiger deutscher Politiker zeugten von "Doppelmoral". Schon am Nachmittag hatte das türkische Außenministerium eine Erklärung veröffentlicht, in der es hieß, das Ganze sei ein "Versuch der Beschränkung der Versammlungs- und Meinungsfreiheit", es werde mit "zweierlei Maß gemessen" - gemeint waren da noch Äußerungen des SPD-Vorsitzenden Martin Schulz, der in der Bild-Zeitung ein Auftrittsverbot für Erdoğan gefordert hatte. Der türkische Präsident dagegen hält Auftritte in Deutschland für sein gutes Recht, das hat er in der Vergangenheit immer wieder klargemacht. Er sei das gewählte Staatsoberhaupt, so die Argumentation, als solches dürfe er vor seinen Landsleuten im Ausland sprechen, in einem Nato-Partnerland zumal; Redeverbote seien ein Verstoß demokratischer Grundrechte. Diese Linie hatte vor ein paar Monaten schon zu Verwerfungen im deutsch-türkischen Verhältnis geführt. Am Ende hatte Erdoğan nach langem Hin und Her auf einen Besuch in Deutschland verzichtet. Aber er hatte auch gesagt: "Wenn ich will, dann komme ich auch." Und wenn man ihn nicht lasse, werde er "die Welt aufstehen lassen". Damals befand sich Erdoğan im Wahlkampf für das Verfassungsreferendum, das Mitte April stattfinden sollte. Das Hickhack um die Auftrittsverbote kam ihm sehr gelegen, weil er so von innenpolitischen Problemen ablenken konnte. Er beschimpfte deutsche Politiker - und niederländische, dort gab es ähnliche Debatten - als "Nazis" und bediente nach Kräften das Bild einer Türkei, die von westlichen Mächten gegängelt und ausgebremst wird. Die in europäischen Ländern ausgesprochenen Auftrittsverbote waren für ihn ein hervorragendes Instrument der Mobilisierung - zumal sie sogar bei seinen eingefleischten Gegnern auf Kritik stießen. Dass sich Deutschland als Feindbild besonders gut eignet, hat mit der großen Zahl von AKP-Anhängern hierzulande zu tun, vor allem aber mit einer Reihe von ungelösten Streitpunkten, die das Verhältnis der beiden Länder belasten: der im Juni beschlossene Abzug der Deutschen aus der Luftwaffenbasis in Incirlik, der seit Monaten inhaftierte deutsch-türkische Journalist Deniz Yücel, türkische Armeeangehörige, die in Deutschland Asyl bekommen, obwohl die türkische Regierung sie für Putschisten und Terroristen hält. Auch im Umgang mit der in beiden Ländern verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) ist man sich uneins; die Türkei wirft Deutschland immer wieder vor, zu wenig gegen PKK-Unterstützer vorzugehen. Zuletzt gab es auch noch Ärger um Erdoğans Personenschützer; die deutschen Behörden hatten einige Bodyguards des türkischen Präsidenten zum G-20-Gipfel in Hamburg für unerwünscht erklärt, nachdem sie in Washington auf kurdische Demonstranten eingeprügelt hatten. "Leider scheint die deutsche Regierung zu denken, dass alles, was in den USA passiert, auch in Deutschland geschieht", bemerkte eine Kolumnistin der regierungstreuen Sabah spitz.

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