Türkei:Belastende Details

Der Geschäftsmann Reza Zarrab sagt als Kronzeuge vor einem New Yorker Gericht aus - und erklärt, der heutige türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan sei vor Jahren in illegale Geschäfte seines Wirtschaftsministers eingeweiht gewesen.

Von Luisa Seeling

Der türkisch-iranische Geschäftsmann Reza Zarrab, der in einem aufsehenerregenden Prozess als Kronzeuge auftritt, hat ausgesagt - und die türkische Führung mit seinen Angaben schwer belastet. Zarrab sagte vor einem New Yorker Gericht, er habe dem ehemaligen türkischen Wirtschaftsminister Zafer Çağlayan als Beteiligung an illegalen Goldgeschäften Millionen Dollar gezahlt. Der damalige Ministerpräsident der Türkei, Recep Tayyip Erdoğan, sei in den verbotenen Handel eingeweiht gewesen.

In dem Verfahren geht es um Goldschäfte Zarrabs mit Iran, in denen die Anklage einen Verstoß gegen amerikanische und internationale Finanzsanktionen sieht. Zwischen 2010 und 2013 soll der heute 34-Jährige über die halbstaatliche türkische Halkbank Gold nach Iran geschafft haben, um damit Öl- und Gaslieferungen zu bezahlen. Zarrab wurde im März 2016 bei der Einreise in die USA verhaftet; er ist geständig und arbeitet inzwischen mit der Staatsanwaltschaft zusammen. Auf der Anklagebank sitzt nur noch der frühere Halkbank-Vizechef Mehmet Hakan Atilla. Anderen Beschuldigten, darunter Çağlayan, wird in Abwesenheit der Prozess gemacht.

Ankara kritisiert das Verfahren als politisch motiviert

Etwa 45 bis 50 Millionen Euro habe er, Zarrab, zwischen März 2012 und März 2013 an Çağlayan an Gewinnen ausbezahlt, außerdem etwa sieben Millionen Dollar Bestechungsgeld. Der Minister habe ihm seinerzeit mitgeteilt, Erdoğan sei einverstanden, dass sich neben der Halkbank noch zwei weitere Banken an den "Gold-gegen-Öl-Deals" beteiligen.

Der türkische Präsident bestreitet, dass sein Land gegen Sanktionen verstoßen habe. Seit Wochen kritisiert Ankara das Verfahren als politisch motiviert. Schon 2013 hatte es in dem Fall eine Untersuchung gegeben, die aber auf Betreiben der Regierung eingestellt wurde. Damals wie heute stellen Erdoğan und sein Umfeld die Ermittlungen als Komplott der Gülen-Bewegung dar, die Ankara auch für die treibende Kraft hinter dem Putschversuch im Sommer 2016 hält. Alle Versuche, den Prozess in New York auf diplomatischem Weg zu verhindern, liefen aber ins Leere. Neben den politischen Folgen für Erdoğan könnte sich ein Schuldspruch gegen Halkbank auch negativ auf die Wirtschaft auswirken, etwa wenn die Bank hohe Strafen zahlen müsste. Schon jetzt ist die türkische Lira gegenüber dem Dollar auf ein Rekordtief abgestürzt.

Und noch an einer zweiten Front muss sich Erdoğan zurzeit verteidigen: Der Chef der Oppositionspartei CHP, Kemal Kılıçdaroğlu, beschuldigt Verwandte und Vertraute des Präsidenten, Millionen Dollar an eine Firmal auf der Isle of Man überwiesen zu haben. Er verfüge über Dokumente, so der CHP-Politiker, die die Geldtransfers in die Steueroase belegten. Vize-Premier Bekir Bozdağ nannte Kılıçaroğlu daraufhin ein "nationales Sicherheitsproblem". Erdoğan wies die Vorwürfe als "Lüge" zurück und sagte, der Oppositionsführer werde für seinen Vorstoß "einen Preis zahlen".

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