Türkei:Anhaltende Willkür

Nach den Journalisten werden nun Mitarbeiter von Amnesty verhaftet.

Von Luisa Seeling

Wieder eine Razzia, wieder Festnahmen und Terrorvorwürfe. Diesmal hat es den Juristen Taner Kılıç getroffen, langjähriger Leiter des Amnesty-Büros in der Türkei, und zwei Dutzend Anwaltskollegen. Sie alle befinden sich seit diesem Dienstag in Polizeigewahrsam, wie Tausende andere auch, und müssen darauf hoffen, dass kein Haftbefehl gegen sie erlassen wird.

Überraschend kam das nicht, fast hat man sich gewöhnt an die nicht abebbende Welle von Razzien und Festnahmen. Bemerkenswert ist höchstens, wie bedeutungslos die Begründungen erscheinen. Terrorunterstützung, Terrorpropaganda, Terrorfinanzierung - blickt noch irgendwer durch? Natürlich hat die Türkei das Recht, gegen Bombenleger und Verschwörer vorzugehen. Doch wenn ein Tweet, ein Artikel, eine verdächtige Bekanntschaft oder die falsche App auf dem Handy ausreichen, um jemanden zum Terrorverdächtigen zu machen, ist die Willkür nicht weit. Wer sich bei der Terrorbekämpfung auf den Rechtsstaat beruft, muss diesen achten; in der Türkei kann davon schon lange keine Rede mehr sein.

Und natürlich ist das Vorgehen der Behörden keineswegs wahllos. Erst gerieten Journalisten und kurdische Aktivisten ins Visier, nun geht es den Nichtregierungs- und Menschenrechtsorganisationen an den Kragen. Kılıçs Festnahme ist eine Warnung an alle, die für den Rechtsstaat kämpfen: Ihr lebt gefährlich.

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