Freihandelsabkommen:Abgeordnete müssen leider draußen bleiben

Demonstrations-Aufruf gegen Handelsabkommen TTIP und CETA

Mehr Demokratie fordern nicht nur Demonstranten wie hier in Berlin, sondern auch die Abgeordneten: Sie haben keinen Zugang zu den Verhandlungsdokumenten.

(Foto: dpa)
  • Am Samstag findet eine Großdemonstration gegen das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA (TTIP) statt. Viele Verbände kritisieren auch die Intransparenz der Verhandlungen.
  • Sogar die Bundestagsabgeordneten haben keinen Zugang zu den Verhandlungsdokumenten.
  • Auch ein Besuch von Bundestagspräsident Lammert bei EU-Kommissionschef Juncker blieb diesbezüglich wirkungslos.

Von Robert Roßmann, Berlin

Wahrscheinlich gibt es kein Abkommen, das in Deutschland mit größerem Argwohn betrachtet wird als TTIP. An diesem Samstag findet in Berlin eine Großdemonstration gegen das geplante Freihandelsabkommen der EU mit den USA statt. Die Veranstalter erwarten mehr als 50 000 Teilnehmer. 600 Busse und fünf Sonderzüge sollen sie in die Hauptstadt bringen. Zu der Demonstration hat ein ungewöhnlich breites Bündnis aufgerufen. Zu ihm gehören der Deutsche Gewerkschaftsbund, der Paritätische Wohlfahrtsverband, Attac, Brot für die Welt, der Deutsche Kulturrat sowie BUND, WWF und Greenpeace. Grüne, Linke, Piraten und ÖDP unterstützen die Demonstration.

TTIP steht vor allem wegen der intransparenten Verhandlungen in der Kritik. Nicht einmal die Bundestagsabgeordneten dürfen Einsicht in die Verhandlungstexte nehmen. Entsprechend groß ist die Verärgerung vieler Parlamentarier über die "Transatlantic Trade and Investment Partnership". Seit 18. Mai gibt es in der US-Botschaft in Berlin zwar einen Leseraum, in dem die "konsolidierten Verhandlungstexte" eingesehen werden können - das sind Texte, die sowohl die Position der EU als auch die der USA kenntlich machen.

Aber der Zugang zu dem Raum ist streng reglementiert. Die Modalitäten wurden zwischen EU-Kommission und US-Seite verhandelt und festgelegt. Demnach dürfen nur Regierungsvertreter den Leseraum nutzen. Das zuständige Bundeswirtschaftsministerium hat der US-Botschaft deshalb lediglich 139 Beamte aus den Bundesministerien als Nutzer gemeldet, aber keine Abgeordneten.

Auch ein Gespräch mit Jean-Claude Juncker ändert nichts

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) beklagt den Ausschluss der Parlamentarier aus dem Leseraum schon länger. Im Juli beschwerte er sich beim US-Botschafter, aber ohne Erfolg. Die Amerikaner konnten darauf verweisen, dass die Vereinbarung mit der EU-Kommission lediglich den Zugang von Regierungsvertretern vorsehe. Lammert nutzte deshalb einen Besuch bei EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker Mitte September, um das Thema noch einmal anzusprechen. Anschließend ließ Lammert frohgemut mitteilen, er sehe jetzt die "Zweifel an dem Recht der Mitglieder des Deutschen Bundestages auf uneingeschränkten Zugang zu Verhandlungsdokumenten zu dem Freihandelsabkommen TTIP als ausgeräumt an". Er werde sich nun an Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel wenden, "um die organisatorischen Fragen" für eine Einsichtnahme zu klären.

Aus der Antwort des Wirtschaftsministeriums auf eine Nachfrage der Grünen-Abgeordneten Katharina Dröge geht aber hervor, dass sich immer noch nichts getan hat. In dem Schreiben, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt, erklärt Gabriels Staatssekretär Uwe Beckmeyer nur, dass die Regierung den Wunsch der Abgeordneten nach Einsichtnahme "auch weiterhin sowohl gegenüber der Europäischen Kommission als auch gegenüber den USA einbringen" werde. Auf die Frage, "ab welchem Termin" der Zugang zum Leseraum in der US-Botschaft möglich sein werde, geht Beckmeyer gar nicht erst ein. Für Dröge ist das ein "untragbarer Zustand". Seit einem halben Jahr würden "in dem Leseraum nur wenige Meter vom Bundestag entfernt zentrale TTIP-Dokumente liegen", aber "wir Abgeordneten müssen aller schönen Worte zum Trotz weiter draußen bleiben".

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