TTIP:Ans Licht und vor Gericht

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Der Investorenschutz ist der größte Streitpunkt in den Verhandlungen um den transatlantischen Freihandel. Jetzt ist das Problem gelöst - im Vorbildvertrag CETA mit Kanada. Die USA sollten endlich die Klausel akzeptieren.

Von Alexander Mühlauer

Die Kritiker von TTIP und Ceta werden nicht verstummen, ganz bestimmt nicht. Sie werden die beiden Freihandelsabkommen weiter heftig geißeln - obwohl sie jetzt einen großen Erfolg errungen haben. Die Europäische Kommission hat die Argumente der Gegner ernst genommen, sie hat sich mit ihnen auseinandergesetzt und diese weitgehend für richtig befunden. Man könnte auch sagen: Brüssel hat sich dem Protest gebeugt, und zwar beim bislang umstrittensten Punkt der geplanten Verträge, den Schiedsgerichten.

Der EU-Kommission ist es gelungen, die kanadische Regierung mit ihrem Vorschlag eines neuen Investitionsgerichtshofs zu überzeugen. Das alte System der Schiedsgerichte wird es mit Ceta nicht mehr geben. Bleibt die Frage, ob dies den Europäern auch bei TTIP gelingt. Das wäre dringend nötig, denn die vier Buchstaben ISDS sind längst zur Chiffre für all jene Ängste geworden, die das transatlantische Freihandelsabkommen in Deutschland hervorruft. ISDS steht für investor-state dispute settlement (Investor-Staat-Streitbeilegung) und damit für die berechtigte Angst vieler Bürger, dass diese sogenannten Schiedsgerichte die Souveränität von Nationalstaaten aushöhlen könnten.

Jetzt kann man natürlich fragen, warum man ein System abschaffen soll, das seit Jahrzehnten existiert. Bislang funktioniert es so: Ein Unternehmen kann ein Schiedsgericht anrufen, wenn es sein Eigentum durch Gesetze oder Verordnungen ausländischer Regierungen und Parlamente bedroht sieht. Doch dieser vermeintliche Investorenschutz hat im Kern mit Freihandel nichts zu tun. Würde das ISDS-Prinzip in TTIP verankert, wäre dies ein schwerer Eingriff in die Souveränität aufgeklärter Staaten, die Eigentum und Vertragsfreiheit schützen. Schiedsgerichte könnten sich über staatliches Recht hinwegsetzen, es als investitionsschädlich brandmarken und das Land, das es erlassen hat, zu Schadenersatz verurteilen. Das hat mit Rechtsstaatlichkeit nichts zu tun.

Der Investorenschutz ist geregelt - im Handelsvertrag mit Kanada

Die USA wollen trotzdem daran festhalten, vermutlich deshalb, weil sie noch nie einen Fall vor einem Schiedsgericht verloren haben. Außerdem sehen die Amerikaner eine überstaatliche Institution, die Recht sprechen soll, grundsätzlich skeptisch. Dabei kann das mit Kanada vereinbarte Prinzip nur im Sinne der USA sein. Denn wer weiß, ob nicht ein europäisches Unternehmen auf die Idee kommt, die US-Regierung zu verklagen? Und ist man sich in Washington wirklich so sicher, dass die intransparenten Schiedsgerichte objektiv urteilen? Wissen die Amerikaner tatsächlich, dass diese Schiedsgerichte vielleicht nicht doch die Seite der Investoren einnehmen, die ihr Geschäftsmodell finanzieren?

Der zwischen Kanada und der EU vereinbarte Investitionsgerichtshof schafft jedenfalls das, worauf Staaten und Konzerne vertrauen können: mehr Rechtssicherheit. Unabhängige Richter sollen über die Streitfälle urteilen. Ganz anders als im alten System, wo die Schiedsrichter von den Streitparteien selbst bestimmt werden und viele von ihnen als Anwälte in anderen Investorenschutzverfahren arbeiten. Künftig soll es auch eine Berufungsinstanz geben. Und ganz wichtig: Wenn das neue Gericht über Klagen von Investoren zu entscheiden hat, darf es im Einklang mit dem Völkerrecht nur das vereinbarte Abkommen anwenden. Der Gerichtshof kann also nicht in Fragen des EU-Rechts oder des Rechts der Mitgliedsstaaten entscheiden.

Sollten die Amerikaner dies akzeptieren, hätten die TTIP-Kritiker und mit ihnen die EU-Kommission ihr Ziel erreicht. Sollten die USA dies nicht tun, können die Europäer die Schiedsgerichte immer noch ablehnen - und den Investorenschutz ganz ausklammern. Denn an dieser Frage darf TTIP nicht scheitern.

© SZ vom 02.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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