Tschechien: Umstrittenes Verfahren:Penis-Kontrollen bei Asylbewerbern

Um zu testen, ob Asylbewerber tatsächlich homosexuell sind, verwendete Tschechien "phallometrische Tests" und zeigte Pornofilme. Die EU ist empört. Sexualforscher bezeichnen das Verfahren als sinnlos - die sexuelle Orientierung lasse sich anders ermitteln.

In etwa 80 Ländern dieser Erde sind homosexuelle Handlungen strafbar, in noch viel mehr Staaten lebt es sich als Schwuler auch ohne die Verfolgung durch die Behörden gefährlich - weil diese nicht hinschauen, wenn die Gesellschaft Homosexuelle ausgrenzt, terrorisiert oder in Extremfällen sogar umbringt. Zuletzt hatten Zeitungen in Uganda damit gedroht, die Namen von Homosexuellen zu veröffentlichen - angeblich, um diesen zu helfen. Es wundert also nicht, dass immer wieder Menschen in Deutschland und anderen EU-Ländern Asyl beantragen, weil sie sich wegen ihrer sexuellen Orientierung verfolgt fühlen.

Anti-Homosexuellen-Protest in der serbischen Haupstadt Belgrad im Jaher 2010

Diskriminiert (wie hier in Serbien) werden Homosexuelle in vielen Ländern. In manchen ist die Situation für sie lebensgefährlich.

(Foto: REUTERS)

Dann allerdings sind die Asylämter in der Bredouille: Denn wie weist man Homosexualität nach? Wie trennt man Lügner und Geschichtenerzähler von denen, deren Leben tatsächlich gefährdet ist, weil sie schwul, lesbisch oder bisexuell sind?

Zu einer ungewöhnlichen Methode haben in dieser Angelegenheit die tschechischen Behörden gegriffen: Bei dem als "phallometrischer Test" bezeichneten Prüfverfahren werden den Asylbewerbern heterosexuelle Pornofilme gezeigt, gleichzeitig wird der Blutfluss zum Penis gemessen.

"Um im Einzelfall eine sexuelle Orientierung festzustellen, sind phallometrische Tests kein sinnvolles Mittel", beurteilt der Sexualforscher Martin Dannecker im Gespräch mit sueddeutsche.de. Er erstellt seit Jahren Gutachten für die deutschen Behörden, wenn diese wissen wollen, ob ein Asylant tatsächlich homosexuell ist.

EU-Behörde: Grundrechte werden verletzt

Auch die EU-Grundrechteagentur kritisiert die Praxis. Sie sei entwürdigend und verstoße mit hoher Wahrscheinlichkeit gegen die Grundrechtecharta der EU. Stattdessen schlägt die Agentur in ihrem Bericht vor, die sexuelle Orientierung mittels Interviews zu erfragen. Wörtlich steht in dem Bericht, eine "Selbstidentifikation" als Homosexueller solle als Hinweis gewertet werden.

Das sei nicht so naiv, wie es sich anhöre, erklärt Experte Dannecker. Er ist sich sicher, erkennen zu können, ob ein angeblicher Homosexueller auch tatsächlich einer ist. "Für mich stellt sich das meist recht deutlich dar", sagt er und erläutert den Unterschied: "Jeder kann von irgendwelchen sexuellen Handlungen berichten. Aber wer seine Geschichte erfindet, verwendet leere Klischees. Wenn mir die Betroffenen ihre Identitätsdiffusion beschreiben und ich bei ihnen Angst und Sehnsucht spüre, dann wird es glaubhaft." Dannecker ist überzeugt: So etwas lässt sich kaum erfinden.

Innenminister verteidigt Verfahren

Tschechiens Innenminister Radek John hat die Tests unterdessen verteidigt. Die Asylbewerber müssten den tschechischen Behörden überzeugend beweisen können, dass sie Homosexuelle sind, sagte der Minister am Mittwoch im tschechischen Rundfunk. Andernfalls hätte der Betroffene keinen Anspruch auf Asyl. "Dann soll er doch in ein Land gehen, wo diese Tests nicht durchgeführt werden und dort Asyl beantragen", sagte John. Die betroffenen Asylbewerber hätten nach Angaben des Ministeriums selbst um diese Tests gebeten oder ihnen zumindest zugestimmt, hieß es.

Dieses Argument lässt die EU-Grundrechteagentur nicht gelten. Da die Betroffenen wüssten, dass ihr Asylantrag von den Tests abhänge, könne von Freiwilligkeit keine Rede sein, heißt es in ihrem Bericht. Darüber hinaus seien die meisten Bewerber bereits in ihrem Heimatland wegen ihrer sexuellen Orientierung verfolgt und misshandelt worden, weshalb die Tests unangemessen seien.

Die Praxis war ans Licht gekommen, weil ein deutsches Gericht die Rückführung eines iranischen Asylbewerbers nach Tschechien verweigert hatte. Das Gericht hatte dies damit begründet, dass der Iraner in Tschechien "phallometrischen Tests" ausgesetzt wäre. Ein Sprecher des Prager Innenministeriums erklärte am Donnerstag, die Tests würden seit Beginn dieses Jahres nicht mehr vorgenommen.

Tschechien war bereits vor drei Jahren in die Kritik geraten, als bekannt wurde, dass Sexualstraftäter in psychiatrischen Anstalten zwangssterilisiert worden waren.

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